Brexit - Verschiebung des Austritts führt auf unsicheres Terrain
Brüssel/London (APA/AFP) - Eine Verschiebung des Brexit-Datums Ende März wird immer wahrscheinlicher. EU-Ratspräsident Donald Tusk sieht in ...
Brüssel/London (APA/AFP) - Eine Verschiebung des Brexit-Datums Ende März wird immer wahrscheinlicher. EU-Ratspräsident Donald Tusk sieht in einem Aufschub angesichts der unklaren Lage auf britischer Seite „eine vernünftige Lösung“. Der EU-Vertrag erlaubt eine Nachspielzeit und die anderen Mitgliedstaaten wären wohl dazu bereit. Doch führt eine Verschiebung auf rechtlich unsicheres Terrain. Ein Überblick:
Was steht im EU-Vertrag?
Großbritannien hatte nach dem Brexit-Referendum von 2016 den Austritt aus der EU am 29. März 2017 offiziell erklärt. Nach Artikel 50 des EU-Vertrages endet daraufhin spätestens nach zwei Jahren die Mitgliedschaft - „es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat einstimmig, diese Frist zu verlängern.“ Damit müssten einem britischen Antrag auf Verlängerung alle anderen 27 EU-Staaten zustimmen.
In welchem Fall könnte sich die EU auf eine Verlängerung einlassen?
Die EU wolle einen chaotischen Brexit ohne Abkommen „auf jeden Fall“ verhindern, sagt ein EU-Diplomat. „Aber wir müssen wissen, weshalb verlängert werden soll. Nur zu verlängern um des Verlängerns willen, hat keinen Sinn.“ Neben Neuwahlen wird in Brüssel als möglicher Grund für eine Verschiebung ein zweites Brexit-Referendum genannt, das nun die Labour-Partei offiziell fordert. Für dessen Organisation würden mehrere Monate Vorlaufzeit benötigt.
Gibt es eine Höchstdauer für die Verlängerung?
Artikel 50 gibt kein Zeitlimit vor. Problem sind die Wahlen zum Europaparlament, die vom 23. bis zum 26. Mai stattfinden. Erfolgt der Brexit erst danach, müssten die britischen Wähler eigentlich erneut Abgeordnete bestimmen, was angesichts des geplanten Austritts wenig Sinn macht. Die meisten in Brüssel halten aber eine kurze Verlängerung über den Wahltermin hinaus für möglich, ohne dies zu tun. „Letzter Termin wäre die konstituierende Sitzung des Europaparlaments“ am 2. Juli, sagt der Vertreter eines Mitgliedstaates.
Und wenn die Briten mehr Zeit brauchen?
Ein „logisches“ Datum wäre dann der 31. Dezember 2020, sagt ein Diplomat. Denn dann endet der mehrjährige EU-Finanzrahmen, den London noch mitbeschlossen hat. Zudem hätte die britische Politik dann 21 Monate Zeit, die umstrittenen Fragen zum Austritt abschließend zu klären. Dazu gehört vor allem die Frage der künftigen Grenze zur britischen Provinz Nordirland. Sie könnte womöglich über klare Absprachen zu den künftigen Beziehungen zur EU gelöst werden, so das Kalkül einiger Verlängerungsbefürworter.
Was bedeutet die Verlängerung für die EU?
Großbritannien bleibt dann zunächst vollumfänglich Mitglied und zahlt ins EU-Budget ein. Es müsste auch Europawahlen abhalten und Abgeordnete ins Europaparlament entsenden. Damit fiele die geplante Verkleinerung des Parlaments von 751 auf 705 Sitze vorerst aus. 27 der insgesamt 73 britischen Sitze würden zudem nicht wie vorgesehen auf andere Mitgliedstaaten verteilt. Europaabgeordnete wie der CDU-Politiker Elmar Brok sehen kritisch, dass die Briten dann den neuen EU-Kommissionspräsidenten mitwählen würden, obwohl sie die EU verlassen.
Könnte Großbritannien auf die Vertretung im Parlament verzichten?
„Aus der Verpflichtung, europäische Wahlen abzuhalten, kommen die Briten bei einem Verbleib über Juli hinaus nicht heraus“, sagt ein Diplomat. Zwingen kann die EU London aber kaum. Möglich wäre ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission. Für eine EU-Vertreterin ist es „undenkbar“, dass das Vereinigte Königreich dann keine Europawahlen organisiert. „Sonst gehen wir das Risiko ein, dass das Europaparlament illegal tagt.“ Befürchtet wird, dass verabschiedete Rechtsakte dann angefochten werden könnten.