Leidenschaftlicher Erneuerer: Stephan Pauly vor dem Sprung nach Wien

Wien (APA) - „Wir wollen die Erneuerung!“ Schon bald nach seinem Antritt als Leiter der Stiftung Mozarteum in Salzburg machte Stephan Pauly ...

Wien (APA) - „Wir wollen die Erneuerung!“ Schon bald nach seinem Antritt als Leiter der Stiftung Mozarteum in Salzburg machte Stephan Pauly klar, wohin die Reise geht. Sein anfangs kritisch beäugter Vorstoß, die Mozartwoche um Zeitgenössisches zu ergänzen, sollte nach dem Auftakt im Jahr 2007 zum anhaltenden Erfolg werden. Nach einem Ausflug nach Frankfurt könnte er nun bald dem Wiener Musikverein vorstehen.

Wie die Wiener Institution am Dienstagabend bekannt gab, steht man mit dem deutschen Kulturmanager, der am heutigen Mittwoch seinen 47. Geburtstag feiert, in Verhandlungen um die Nachfolge von Intendant Thomas Angyan, dessen Vertrag am 30. Juni 2020 ausläuft. An der Alten Oper Frankfurt, an deren Spitze Pauly seit dem 1. März 2012 steht, wird zu klären sein, wie man mit seinem dort bis 2022 laufenden Vertrag umgehen wird. Sollte Pauly nach Wien wechseln, stehen jedenfalls spannende Jahre bevor, wie sich aus seinen bisherigen Innovationsbemühungen in Salzburg und Frankfurt/Main erwarten lässt.

„Salzburg hat mir die Ohren geöffnet, ich habe hier viel gelernt, bin sensibler geworden und verstehe jetzt mehr von Musik“, sagte Pauly im Jahr 2012 bei der Bilanz-Pressekonferenz seiner Salzburger Zeit, bevor er schließlich nach Frankfurt ging, um seinen Innovationsgeist an der dortigen Alten Oper fortzusetzen. Dort sorgte Pauly für das eine oder andere gewagte Kulturspektakel und geriet mit ungewöhnlichen Konzertformen in die Schlagzeilen: So stammte von ihm etwa die Idee zum Projekt „One Day in Life“, das von Star-Architekt Daniel Libeskind umgesetzt wurde. 24 Stunden lang erklang an 18 Orten der Stadt - vom Wolkenkratzer über den OP-Saal und ein Schwimmbad bis zum Bunker - Musik. Die von rund 200 Musikern aufgeführten Werke stammten aus allen Epochen und Stilrichtungen. Zu weiteren Projekten zählten etwa das mehrwöchige „Musikfest“, das ein einzelnes Musikwerk ins Zentrum stellt, oder die „Fokus“-Festivals, die mehrtägige Begegnungen mit Künstlerpersönlichkeiten, Komponisten, musikalischen Themen oder Epochen ermöglichen.

Auch Brückenschläge zu Tanz, Schauspiel oder bildender Kunst gehörten zu seinen Vorhaben. So realisiert man etwa von 20. bis 24. März ein gemeinsames Projekt mit der Performancekünstlerin Marina Abramovic. In der Ankündigung von „Anders hören - Die Abramovic-Methode für Musik“ heißt es etwa: „In verschiedenen Übungen lernen Sie dabei, die Sinne zu schärfen und sich selbst in einen Zustand der Konzentration zu begeben. Lassen Sie das Erlebte sich setzen - um dann aus der gewonnenen Erfahrung heraus einen Konzertabend der besonderen Art zu erleben, der die Regeln und Normen des klassischen Konzertbetriebs außer Kraft setzt.“ Das Publikum wird bei Pauly also auch selbst gefordert. „Pauly hat das hohe Niveau der Alten Oper nicht nur erhalten, sondern durch innovative, äußerst erfolgreiche Programmanteile ausgebaut, ohne qualitative Konzessionen zu machen“, sagte Frankfurts damaliger Kulturdezernent Felix Semmelroth (CDU) anlässlich der Vertragsverlängerung im Jahr 2015.

In Salzburg war die Mozartwoche nicht das einzige Festival, das von Paulys Wunsch nach Erneuerung geprägt wurde. So etablierte der groß gewachsene Deutsche bereits kurz vor dem Mozartjahr 2006 - das er ebenfalls verantwortete - mit den „Dialogen“ ein explizit der zeitgenössischen Musik und ihren Formaten gewidmetes Festival, das fortan zum fixen Bestandteil des Salzburger Kulturlebens wurde.

Neue Musik brauche neue Vermittlungsformen, wurde Pauly nicht müde zu betonen: Dafür müsse man zeitgenössische Kompositionen „mit einer einladenden, entspannten Geste“ darbieten. „Es geht darum, Augen und Herz zu öffnen für die Erfahrung, wie Musik uns bereichern kann“, sagte Pauly in Frankfurt anlässlich seiner Bemühungen, auch Angebote für Kinder und Jugendliche anzubieten.

Der am 27. Februar 1972 in Köln geborene Pauly hat Philosophie, Theologie sowie Theater- und Opernregie in München und Rom studiert. Nach dem Studium war er zunächst publizistisch unter anderem beim Bayerischen Rundfunk tätig und fungierte als Assistent des Regisseurs August Everding. In dieser Funktion war er als Gast am Prinzregententheater München, an der Wiener Staatsoper und an der Mailänder Scala engagiert. Den Bereich des Managements lernte er bei der Unternehmensberatung McKinsey&Co. kennen, wo er für Klienten aus unterschiedlichsten Branchen der Wirtschaft sowie für ein Orchester tätig war.

Nach Salzburg kam er 2002 zunächst als künstlerischer Leiter der Internationalen Stiftung Mozarteum, im Juni 2004 wurde er auch kaufmännischer Geschäftsführer. Das Mozartjahr 2006 prägte er als Projektleiter, nach seinem Wechsel an die Alte Oper Frankfurt im Jahr 2012 führte er dort seinen Weg als Erneuerer konsequent weiter. Kommen die Verhandlungen mit dem Wiener Musikverein zu einem positiven Abschluss, darf man mit Spannung erwarten, wie das innovative Potenzial des künftigen Intendanten sich mit dem Traditionsreichtum des goldenen Musiktempels verträgt.