XXII. Triennale Milano: Österreich ruft zur Toilettenrevolution auf

Mailand/Wien (APA) - Österreich ruft in Mailand die Toilettenrevolution aus: Die dortige XXII. Triennale, die am 1. März eröffnet, widmet si...

Mailand/Wien (APA) - Österreich ruft in Mailand die Toilettenrevolution aus: Die dortige XXII. Triennale, die am 1. März eröffnet, widmet sich dem Design im Hinblick auf Umweltprobleme. Und im österreichischen Pavillon wird diese Vorgabe geradezu paradigmatisch umgesetzt. Der vom MAK kuratierte Beitrag zeigt eine Toilette, die den Urin automatisch separiert und so das globale Stickstoffproblem lösen will.

Die Gestaltung der anwendungsbereiten WC-Muschel stammt vom Wiener Designstudio EOOS, wobei die Präsentation unter dem Titel „Circular Flows: The Toilet Revolution!“ über die technische Ebene hinausweist. Von der im Duchamp-Modus auf dem Kopf stehenden Toilette zieht sich ein virtueller Strom in die mittels Projektion symbolisierten Küstengewässer, die sich mal zur Todeszone, mal zum klaren Gewässer wandeln. Ein Getreidefeld indes gibt den haptisch greifbaren Kontrast und zeigt die Anwendungsmöglichkeit des durch den einbehaltenen Urin gesammelten Stickstoffs.

„Man braucht in der Aufmerksamkeitsökonomie einer Triennale ein Statement“, unterstrich Kuratorin Marlies Wirth. Deshalb ist der wissenschaftlich Anteil in der Darstellung zurückgefahren. „Wir wollen zu einem breiten Publikum sprechen“, betonte auch Christoph Thun-Hohenstein, als Direktor des Museums für angewandte Kunst (MAK) Kommissär des Österreichbeitrags.

Er sehe sein Haus als Plattform für jene Revolution im Design, die sich nun abzeichne. Das alte L‘art pour l‘art-Designverständnis gehöre der Vergangenheit an. „Und wir wollen Teil dieses Transformationsprozesses sein“, so Thun-Hohenstein.

In diesem Bestreben ist das 1995 von den drei einstigen Angewandten-Studenten Gernot Bohmann, Harald Gründl und Martin Bergmann gegründete EOOS-Studio der ideale Partner, dem man bereits 2015 eine Einzelschau im MAK widmete. Zwar gibt es wenig, das von dem Trio noch nicht designt wurde - vom Möbelstück über Shopkonzepte. Seit zehn Jahren widmet man sich aber verstärkt auch dem Social Design, das Probleme lösen helfen möchte.

Dazu arbeiten die Wiener mit dem Wasserforschungsinstitut der ETH Zürich respektive mit der Gates-Foundation zusammen, mit deren Hilfe man bereits die netzlose „Blue Diversion Toilet“ für Schwellen- und Entwicklungsländer konzipiert hat. Als industrieller Partner ist beim neuen Projekt Laufen mit an Bord.

Dennoch war das Engagement des EOOS-Teams enorm. „Wer hat zuvor geforscht, wo man hinpinkelt? Niemand! Das haben wir gemacht“, machte Harald Gründl am Mittwoch in Mailand deutlich. Das Ergebnis dieses Forschungseinsatzes ist eine scheinbar simple Lösung, die ohne technischen Schnickschnack auskommt, sondern ganz auf eine neue Form von Toilettenschüssel setzt. Konkret hat diese zwei Öffnungen: Die „traditionelle“, mittels derer Kot und Wasser ablaufen, und eine weitere, für den Anwender unsichtbare im vorderen Bereich. Durch diese entschwindet der auf eine schräge Fläche auftreffende und dadurch langsamer ablaufende Urin.

Der kann dann gesondert aufgefangen und der darin enthaltene Stickstoff separiert und als Dünger verwendet werden. „Für Düngemittelproduzenten sind das Bad News“, konstatierte Gründl. Urin und Kot würden auch im Körper in getrennten Kreisläufen erzeugt - warum der Mensch das in der Toilette ändere, mache wenig Sinn. Schließlich sei das Stickstoffproblem einer der zentralen Brandherde der Umweltfragen, stehe in der öffentlichen Wahrnehmung dem Artensterben oder dem CO2-Ausstoß aber zu Unrecht weit nach.

Selbst gute Kläranlagen würden 40 Prozent des Stickstoffs in die Umwelt entlassen, weshalb ein Drittel der Überdüngung der Meere aus Abwässern stamme. Dieses Pipi-Problem kann die neue Toilette lösen helfen. Schlechte Nachrichten bedeutet dies aber für Stehpinkler: Es dürfte bald ein weiteres Argument fürs Hinsitzen beim Urinieren geben.

(S E R V I C E - www.triennale.org/eventi/austria)