Doping-Razzia: „Schockstarre“ in Seefeld - Netzwerk aufgeflogen

Seefeld/Innsbruck (APA) - Teile des ÖSV-Langlaufteams sind wie schon bei den Olympischen Spielen 2002, 2006 und 2014 in einen Dopingskandal ...

Seefeld/Innsbruck (APA) - Teile des ÖSV-Langlaufteams sind wie schon bei den Olympischen Spielen 2002, 2006 und 2014 in einen Dopingskandal verwickelt. Ermittler des Bundeskriminalamtes nahmen am Mittwoch während der Nordischen WM in Seefeld Dominik Baldauf und Max Hauke unter Eigenblutdopingverdacht fest. Betroffen sind aber nicht nur sie, heimische und deutsche Behörden haben ein internationales Netzwerk ausgeforscht.

Im Zuge der koordinierten Aktion „Operation Aderlass“ wurden insgesamt 16 Hausdurchsuchungen durchgeführt und neun Personen festgenommen, gaben die Ermittlungsbehörden bekannt. Unter den Festgenommenen befindet sich als mutmaßlicher Haupttäter einer „kriminellen Gruppierung“ ein deutscher Sportmediziner, der das Blutdoping mit Komplizen an den Athleten durchgeführt haben soll. Neben Hauke und Baldauf stehen auch ein kasachischer und zwei estnische WM-Teilnehmer unter Verdacht. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Einer der Sportler wurde in Seefeld auf frischer Tat ertappt. Er sei in Seefeld in seiner Unterkunft „mit einer Blutkonserve im Arm“ aufgegriffen worden, so die Ermittler. Die Namen der verdächtigen Athleten nannten sie jedoch nicht. Im Zusammenhang mit dem festgenommenen Sportmediziner aus Erfurt und seiner Komplizen sprachen sie von einer „geschlossenen Indizienkette“. So sei etwa in Erfurt ein komplettes Dopinglabor inklusive Equipment wie Blutkonserven und Zentrifugen ausgehoben worden, das dem Sportmediziner zugerechnet wird.

Man ermittle seit mehreren Monaten „wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Sportbetruges sowie der Anwendung von unerlaubten Wirkstoffen und Methoden zu Dopingzwecken“. Die Gruppierung in Erfurt sei dringend verdächtig, „seit Jahren Blutdoping an Spitzensportlern durchzuführen, um deren Leistung bei nationalen und internationalen Wettkämpfen zu steigern und dadurch illegale Einkünfte zu lukrieren“, hieß es weiter. Die Sportler selbst seien nicht Teil dieser Organisation gewesen, stünden aber in Verdacht, sich mit Blutdoping behandelt haben zu lassen.

Die Causa dürfte über den Langlauf hinausgehen. „Es sind sicher auch noch andere Sportarten betroffen“, sagte ein BK-Ermittler. Die „kriminelle Organisation“ sei seit mehr als fünf Jahren weltweit tätig gewesen. Weitere Details wie Entscheidungen über Untersuchungshaftanträge wollen sie in den nächsten Tagen bekanntgeben.

Der auch schon bei der folgenschweren Polizeirazzia bei Olympia 2006 in Turin sowie den Dopingfällen Johannes Dürr 2014 bei den Winterspielen in Sotschi und von Harald Wurm 2016 amtierende ÖSV-Langlaufchef Markus Gandler reagierte tief betroffen. „Das ist ein harter Schlag für den Langlauf im allgemeinen. Ich stehe unter Schockstarre“, erklärte der Tiroler.

Innerhalb des Österreichischen Ski-Verbandes (ÖSV) gebe keine Hinweise auf Beteiligungen von eigenen Betreuern, es handle sich um Einzeltäter, betonte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel. „Ich bin zutiefst verärgert, dass einzelne Athleten scheinbar nichts aus der Vergangenheit gelernt haben. Im ÖSV gilt Null-Toleranz gegenüber Doping“, so Schröcksnadel. Gegen Einzeltäter sei man machtlos, ergänzte der Langzeitchef des Verbandes und kündigte eine Neuorganisation der Langlaufsparte nach dieser Saison an.

Damit sind auch die Tage von Gandler gezählt. Man werde sich nach der WM trennen, bestätigte Schröcksnadel noch am Mittwoch. Auch ÖSV-Langlaufkoordinator Trond Nystad deutete seinen Abschied bereits an. „Es ist klar, dass das die Aufgabe für mich uninteressant macht“, sagte der Norweger.

Gandler gab an, dass ihm bis dato nie etwas im Zusammenhang mit Dopingvergehen bei Baldauf und Hauke aufgefallen war. Man könne sie aber nicht ständig überwachen. „Das sind freie Leute, sie haben genügend Freizeit, um so einen Blödsinn zu machen.“ Er hoffe außerdem, „dass es mehr erwischt, nicht nur den ein oder anderen, sondern auch die Drahtzieher.“ Sein ehemaliger WM-Goldstaffelkollege Alois Stadlober war ebenso erschüttert. „Dümmer geht es nicht mehr, und tiefer kann man gar nicht mehr fallen“, sagte Stadlober, dessen Kinder Teresa und Luis an der WM teilnehmen.

Die mutmaßlichen Vergehen von Baldauf und Hauke seien „nicht nachvollziehbar, man kennt die betroffenen Sportler. Sie wissen, was auf einen einstürzt, was auf einen Johannes Dürr eingestürzt ist, was der alles verloren hat.“ Dürr war es, der vor einigen Wochen mit seinen Aussagen über Blutdoping in einer TV-Dokumentation die Behördenermittlungen angestoßen hat.

(Grafik 0256-19, Format 88 x 114 mm)