EU-Wahl

Edtstadler im TT-Interview: „Wenige Regeln, die halten“

Staatssekretärin Karoline Edtstadler ist hinter Othmar Karas die Nummer zwei auf der ÖVP-Liste für die EU-Wahl am 26. Mai.
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ÖVP-EU-Kandidatin Karoline Edtstadler über ihr Bild von Europa, ihre Vorstellungen von einem solidarischen Asylsystem und die Unterschiede zu Othmar Karas.

Sie sind Staatssekretärin, Sie gelten als ministrabel – und jetzt wollen Sie eine von mehr als 700 Abgeordneten im EU-Parlament werden. Ist das nicht ein Rückschritt?

Karoline Edtstadler: Ganz und gar nicht. Wenn man mit voller Unterstützung des Bundeskanzlers kandidiert, kann von einem Rückschritt keine Rede sein. Ich bin eine glühende Europäerin und bringe viele Erfahrungen mit. Ich will klarmachen, was dieses Europa bringt. Das ständige Brüssel-Bashing etabliert in den Köpfen der Menschen nur Negativszenarien, die zu Entwicklungen wie dem Brexit führen.

Wollen Sie Abgeordnete werden oder streben Sie ein weiteres Amt an?

Edtstadler: Ich fühle mich geschmeichelt, von den Medien für die Funktion der österreichischen Kommissarin genannt zu werden. Aber diese Frage stellt sich jetzt nicht.

Sind Sie die eigentliche Kandidatin von Sebastian Kurz?

Edtstadler: Ich bin die Kandidatin, die den Teil der türkisen Bewegung abdeckt. Ich möchte ein Angebot an alle sein, die diese neue Bewegung, dieses Denken in ihren Köpfen haben und auch auf europäischer Ebene etabliert wissen wollen. Ich gehöre einer anderen politischen Generation an als Othmar Karas. Ich bin eine Frau, ich war 14, als wir der Europäischen Union beigetreten sind. Ich habe die Vorteile inhaliert und trotzdem nie vergessen, dass es früher anders war.

Heißt das, Karas ist alt und konservativ?

Edtstadler: Dieser Umkehrschluss ist nicht zulässig. Wir decken gemeinsam ein sehr breites Spektrum in der ÖVP ab. Ich will für mich viel Wind mitnehmen für einen spannenden Vorzugsstimmenwahlkampf.

Ist es Ihr Ziel, Karas dabei zu überflügeln?

Edtstadler: Das wird aufgrund seiner Erfahrung und Expertise nicht möglich sein. Wir wollen als Team als Erste über die Linie gehen.

Wie soll sich Europa weiterentwickeln? Mehr oder weniger Europa?

Edtstadler: Wir brauchen ein starkes Europa nach außen, das mit einer Stimme spricht. Wir brauchen aber auch die sehr selbstbewussten Mitgliedsstaaten, die Dinge, die sie besser können, selbst entscheiden. Europa ist historisch gewachsen und zeichnet sich dadurch aus, dass wir auf sehr kleinem Raum sehr viele unterschiedliche Kulturen und Traditionen haben. Diese Vielfalt gilt es zu fördern und zu unterstützen.

Sollten die Nationalstaaten weitere Kompetenzen an Brüssel abgeben?

Edtstadler: Ich glaube, die Aufteilung ist im Moment sehr gut. Es ist etwa wichtig, dass die Finanzhoheit in den Staaten bleibt. Aber ebenso wichtig ist, dass sich alle an die Regeln halten. Ich bin für wenige Regeln, aber an die sollten sich alle halten.

Gibt es zu viele Regeln?

Edtstadler: Es gibt jedenfalls Regeln, an die sich nicht alle halten, wenn ich etwa an das gemeinsame europäische Asylsystem denke. Dublin III (Abkommen zur Zuständigkeit für Asylanträge, Anm.) wird nicht eingehalten und funktioniert nicht. Andernfalls dürfte bei uns so gut wie niemand um Asyl ansuchen, weil wir von sicheren Drittstaaten umgeben sind. Die Frage der Verteilung von Asylwerbern stellt sich daher nicht in diesem Ausmaß. Wir setzen hingegen auf das Konzept einer verpflichtenden Solidarität.

Natürlich stellt sich die Frage der Verteilung. Oder müssen die Länder an den EU-Außengrenzen mit den Flüchtlingen alleine fertig werden?

Edtstadler: Flüchtlinge über alle Staaten aufteilen zu wollen, führt ins Nirwana, weil die Staaten die Bereitschaft nicht haben. Ich kann in einem offenen Europa auch nicht verhindern, dass jemand weiterwandert. Andere Staaten sollen andere Beiträge liefern, etwa für Frontex oder humanitäre und medizinische Hilfe.

Was ist der Beitrag Österreichs?

Edtstadler: Wir haben unglaublich viele Flüchtlinge aufgenommen.

Das war aber nicht freiwillig. Was wäre der Beitrag in einem Idealfall, ohne illegale Migration?

Edtstadler: Wir könnten Perspektiven eröffnen für Menschen, bei denen abgeklärt ist, dass sie hierbleiben können, und die eine Ausbildung machen wollen, um ihr Fortkommen hier zu sichern.

Sie sind mit der FPÖ in der Koalition, gleichzeitig kampagnisiert der freiheitliche EU-Spitzenkandidat massiv gegen ÖVP-Spitzenkandidaten. Wie lässt sich das vereinbaren?

Edtstadler: In Österreich arbeiten wir das Regierungsprogramm Punkt für Punkt ab und haben eine hervorragende Zusammenarbeit mit der FPÖ. Das zweite ist die europäische Ebene. Hier ist die FPÖ in einem Verbund von Parteien, die nicht meinen Vorstellungen entsprechen.

Würden Sie im EU-Parlament die Zusammenarbeit mit der FPÖ und einer rechten FPÖ-Faktion suchen?

Edtstadler: Mit den Ansichten, die dieser Parteienverbund vertritt – nein. Eine Zusammenarbeit mit Parteien, die ein Auseinanderfallen der EU propagieren, kann ich mir nicht vorstellen.

Und wie halten Sie es mit Viktor Orbán und seiner Fidesz-Partei?

Edtstadler: Das ist ein Thema, über das man lang diskutieren könnte. Als vom Parlament das Rechtsstaatsverfahren eingeleitet worden ist, hat sich Ungarn auf der Ebene der Regierungsvertreter sehr unfair behandelt gefühlt. Jetzt erleben wir eine Reaktion, wo man sagt, jetzt erst recht. Hier gibt es sicher Gesprächsbedarf, weil die Entwicklungen in eine falsche Richtung laufen.

Hat Fidesz noch einen Platz in der europäischen Volkspartei?

Edtstadler: Grundsätzlich ist Fidesz in dieser Parteienfamilie verankert. Aber Tendenzen, die in eine andere Richtung gehen, gilt es zu besprechen.

Wann treten Sie als Staatsekretärin zurück?

Edtstadler: In dem Moment, wo ich im Europäischen Parlament angelobt werde, das ist aller Voraussicht nach am 1. Juli.

Wahlkampf und Regierungsamt lassen sich vereinbaren?

Edtstadler: Wir werden einen ganz kurzen, knackigen Wahlkampf haben.

Das Gespräch führte Wolfgang Sablatnig.