„Bonanza“ in Brasilia: Der Familienclan der Bolsonaros macht Politik

Brasilia (APA) - Als Jair Bolsonaro am 1. Jänner in den Präsidentenpalast in Brasilia einzog, zogen seine drei Söhne quasi mit ein. Flavio, ...

Brasilia (APA) - Als Jair Bolsonaro am 1. Jänner in den Präsidentenpalast in Brasilia einzog, zogen seine drei Söhne quasi mit ein. Flavio, Eduardo und Carlos Bolsonaro sind nicht nur die engsten Vertrauten und Stichwortgeber. Sie mischen sich zunehmend selbst in die Politik des Landes ein. Nicht immer zur Freude des Vaters.

Ein Video sorgt zurzeit für Diskussionsstoff in Brasilien: Es zeigt einen Empfang in einem Saal: Fototapete in Wild-West-Romantik mit Weidezaun und Sonnenuntergang, davor Musikinstrumente, Menschen mit Cowboyhüten, natürlich die US-Fahne. Auf der Bühne steht Toni Holt Kramer, frühere Celebrity Reporterin und Gründerin der Trump-Unterstützerinnen-Gruppe Trumpettes. Sie hat gleichgesinnte in das Trump International Resort in Miami eingeladen. Unter den Gästen ist auch Eduardo Bolsonaro (34), der drittgeborene Sohn des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.

Kramer begrüßt Bolsonaro jr. als den Sohn des Mannes, der „die Welt verändern wird“. Bolsonaro bedankt sich brav für die warmen Worte und spielt den Konservativen den Ball zurück: „Baut diese Mauer, wir Brasilianer unterstützen Euch.“ Nicht, dass es den USA des Zuspruchs aus Brasilien bedarf. Wichtiger ist eher die Botschaft zwischen den Zeilen: Geopolitisch will sich die zweitgrößte Demokratie Amerikas an die Seite des großen Bruders stellen. Auch bei unpopulären Themen.

Lanciert und verbreitet über Twitter und Facebook hat es der Präsidentensohn höchst selbst. Der Zeitpunkt war gut gewählt. Während man in Südamerika die Entwicklung in Venezuela beobachtet und Strategien auslotet, sucht die rechtskonservative Regierung die Nähe zu Trump.

Jedoch ist es nicht der Außenminister Ernesto Araújo, dem diese Rolle zukommt, wie es üblich wäre, weil man ansonsten kein Außenressort bräuchte. Bolsonaro schickt lieber seinen Sohn Eduardo, der so etwas wie der persönliche USA-Beauftragte des Präsidenten ist. Einmal in den USA, traf Eduardo noch schnell Trumps Ex-Berater, den rechtsextremen Aktivisten Steve Bannon. Dieser hatte Flavio vor einigen Wochen zum wichtigsten strategischen Verbündeten seines rechten Netzwerks „The Movement“ in Südamerika gemacht.

Das Auftreten der Bolsonaros erinnert ein wenig an die frühere US-Westernserie Bonanza. „Pa“ Jair, der Patriarch, der nach Ende des Wahlkampf verbal deutlich abgerüstet hat und sich mehr in der väterlichen Rolle sieht, der seine Burschen zurückpfeift, wenn sie mal wieder als Rowdys durch die Saloons ziehen. Flavio, als „Adam“, der Gentleman, sportlich und beliebt und der verlängerte Arm des Vaters. Claudio, alias „Hoss“, der Mann fürs Grobe der gerne verbal die Fäuste schwingt. Und dann ist da noch Eduardo, „Little John“, der Drittgeborene, der sich der Rückendeckung der großen Brüder und des Vaters sicher sein kann. Nur mit einem Unterschied: Brasilien ist nicht die Ponderosa-Ranch und die Bolsonaros sind mitnichten die edlen für das Gute kämpfenden Großgrundbesitzer. Aber es zeigt: Blut ist dicker als Wasser und Familienmitglieder vertrauenswürdiger als Kabinettskollegen.

Präsident Jair Bolsonaro hat sich mit den Söhnen einen inneren Kreis aufgebaut. Hier dürften politische Fragen als erstes erörtert werden und Strategien festgelegt. Zusätzlich zu einem weiteren Kreis enger Vertrauter, die wichtige Regierungsämter bekleiden. Flavio, Eduardo und Carlos waren bei den Wahlen im Oktober ebenfalls in politische Ämter gewählt worden. Der Familienclan ist die Regierung innerhalb der Regierung.

Flavio (37), der Erstgeborene, oder „01“, wie ihn sein Vater nennt, gewann sein Mandat als Senator im Wahlkreis Rio de Janeiro mit mehr als 4,3 Millionen Stimmen. In Brasilia ist er die „ständige Vertretung“ des Präsidenten im höchsten Entscheidungsgremium, Gespräche führen, Mehrheiten mit den wichtigen Bancadas - Evangelikale, Großgrundbesitzer, Waffenlobby- beschaffen. Flavio ist schon lange im Geschäft. Von 2003 bis 2018 war der gelernte Anwalt Abgeordneter der gesetzgebenden Versammlung (Alerj) im Bundesstaat Rio. Doch genau diese Vergangenheit scheint ihn zurzeit einzuholen.

Undurchsichtige Zahlungen an einen früheren Fahrer, die der Antikorruptionsbehörde (COAF) aufgefallen waren, rückten Bolsonaro Junior zuletzt in die Nähe der umstrittenen Milizen. Jener Schattenmacht, die in Rio de Janeiro durch Schutzgelderpressung und Schwarzhandel weite Teile des Stadtgebiets kontrolliert und zudem für den Mord an der Bürgerrechtlerin und Stadträtin Marielle Franco im März 2018 verantwortlich gewesen sein soll.

Dieser Fahrer, Fabricio Queiroz, soll ein hochrangiges Miliz-Mitglied sein. Ebenso wie Adriano Magalhães da Nóbrega, dessen Mutter und Schwester viele Jahre im Abgeordnetenbüro von Flavio Bolsonaro gearbeitet haben sollen. Nóbrega war Offizier der Sondereinheit BOPE, ehe er wegen Verbindungen zur Miliz unehrenhaft entlassen worden war. Inzwischen gilt er als Hauptverdächtiger im Mordfall-Franco und ist auf der Flucht.

Das Magazin „Istoé“ enthüllte nun, dass Nóbregas Mutter sogar Prokura über das Abgeordnetenkonto Bolsonaros gehabt haben soll. Über dieses Konto floss nicht nur Geld an Queiroz, sondern zudem an eine Firma und eine Anwaltskanzlei, die Bolsonaro im vergangenen Wahlkampf unterstützt haben soll. Neben der Nähe zur kriminelle Miliz beschäftigt die COAF etwas ganz anderes: Wurden möglicherweise auch in Rio Strohmänner als Kandidaten für die PSL aufgestellt, um öffentliche Wahlgelder zu kassieren? Andernorts scheint dies von der Partei praktiziert worden zu sein, auch wenn eines von Bolsonaros Wahlkampfversprechen war, die Korruption zu bekämpfen. Die Strohmann-Affäre ist inzwischen soweit angewachsen, dass die Sergio Moro auf den Plan rief. Der frühere Anti-Korruptionsrichter und jetziger Superminister für Justiz und Inneres forderte nun, die Vorwürfe umgehend aufzuklären.

Der Mann fürs Grobe im Hause Bolsonaro ist jedoch Sohn Carlos (36), der zweitgeborene, von seinem Vater auch gerne als sein persönlicher Pitbull bezeichnet. Eigentlich in den Stadtrat von Rio de Janeiro gewählt, ist er der Social Media-Stratege der Familie und inoffizielles Sprachrohr des Präsidenten, dabei tritt er oft aggressiv und laut auf. Durch von ihm gesteuerte Kampagnen über den Nachrichtendienst Whatsapp war es Carlos im Wahlkampf gelungen, den Gegenkandidaten der Arbeiterpartei PT, Fernando Haddad, entscheidend zu schwächen - und auch zu diskreditieren. Dass er da nicht zimperlich ist, erfuhr zuletzt auch Bolsonaros Generalsekretär Gustavo Bebianno am eigenen Leib.

Während Jair Bolsonaro sich im Krankenhaus von einer Operation erholte, eskalierte ein per Twitter ausgetragener Disput zwischen Carlos und Bebbiano. Es ging um die Scheinkandidaturen, von denen Bebbiano angeblich nichts gewusst haben will. Gerüchte darüber standen schon vor der Wahl im Raum. Schon zu der Zeit, als sich Bolsonaro senior im September von einer Messerattacke erholte. In einem In einem Tweet hatte Carlos Bolsonaro ihn nicht nur als Lügner bezeichnet. Carlos Bolsonaro hatte in dem mehrtägigen Twitter-Hickhack auch mehrfach offen den Rauswurf Bebbianos gefordert.

Die Demontage folgte prompt. In Brasilia, wo man keinesfalls zimperlich ist im politischen Umgang, sorgte die Demission für Ärger und Kritik. Bolsonaro solle seine Söhne zurückpfeifen, forderten einige Parlamentarier. Wohl auch aus Angst, möglicherweise selbst irgendwann einmal so öffentlich demontiert zu werden. Das Exempel macht das Regieren für den Präsidenten nicht leichter. Schließlich verfügt er über keine Mehrheit, ist also darauf angewiesen, andere Fraktionen für seine Ideen zu gewinnen.