Politisch, sarkastisch, textgewaltig: „Nach uns das All“ in Linz

Linz (APA) - Mit langem Applaus und Jubelrufen sind Marion Reiser und Felix Rank Donnerstagabend im Linzer Theater Phönix belohnt worden - d...

Linz (APA) - Mit langem Applaus und Jubelrufen sind Marion Reiser und Felix Rank Donnerstagabend im Linzer Theater Phönix belohnt worden - die beiden spielten sich in rund 75 Minuten durch die Österreichische Erstaufführung von Sibylle Bergs „Nach uns das All oder Das innere Team kennt keine Pause“. Politisch, sarkastisch und textgewaltig ist das Stück, das im Kern von Menschen und Beziehungen handelt.

Berg schließt damit eine Trilogie ab, zu deren Beginn junge Frauen ihren Platz in der Welt suchten, dann wurden sie Mütter und nun suchen sie wieder einen Platz, allerdings nicht auf dieser Welt, denn die ist beherrscht von einer Mehrheit, die gegen Fremde, Schwule und Emanzipation zu Felde zieht. Und: „Keiner, den wir kennen, geht in den bewaffneten Widerstand.“ Bleibt der Flug zum Mars. Doch dorthin geht es nur paarweise und auf der Bühne findet ein Casting statt - für den Rest des Lebens in der ungewissen neuen Heimat.

In Happen bekommen die Zuschauer ein erschreckendes Bild serviert, von Bürgerbewegungen gegen Juden, gegen Bienen und gegen Bücher, einer Welt regiert von Männern, die nackt auf Pferden sitzen und eine Mauer um ihr Land gebaut haben, acht Milliarden Menschen und ebenso vielen Robotern. Begonnen habe es mit einer Anzeigepflicht, wenn die Nachbarn fremdländische Wurst essen, dann kamen die fremdländischen Hunde weg, erfährt man peu à peu.

Dazwischen vorgetragene User-Postings, etwa „da darf man sich halt nichts zuschulden kommen lassen“ und „wird das wo gestreamt?“ zur Einführung der Todesstrafe. Vielsagende Blicke und nur einige Lacher im Publikum nähren den Verdacht, dass Berg mit ihrem 2017 uraufgeführten sarkastischen Text eine Dystopie nahe an den Ängsten der Menschen, unweit des für möglich Gehaltenen geschaffen hat. Überwachung, Zensur, Relikte aus der Nazi-Zeit und gegenwärtige gesellschaftspolitische Tendenzen werden thematisiert und überzeichnet.

Doch Regime hin und Angst vor Repressalien her, die zwei auf der Bühne müssen ein Paar werden, sonst fliegt die Rakete ohne sie. Und darum geht es im Kern: Um den Mensch als Individuum und seine Beziehungen, speziell jene zum Lebens-/Liebes-/Sexualpartner, und was er da hineinprojiziert. „Ich suche jemanden, der mir nicht auf die Nerven geht“, verlangt Reiser nicht viel - oder gerade doch? Das Thema von Mann und Frau, gelebte Klischees und geliebte Visionen machen auch vor Menschen auf dem Weg zu einem neuen Leben nicht halt und halten alles auf. „Was habt ihr gemacht, als die Welt unterging?“ „Wir haben über Beziehungen geredet.“

Reiser und Rank bewältigen die Textkaskaden mühelos - Regisseurin Barbara Falter reduzierte das Stück auf zwei Personen, kürzte aber nicht den Text. Die beiden Phönix-Ensemblemitglieder verlieren nie das Tempo oder den Faden, meistern alle Übergänge, spiegeln eine Gefühlspalette von Hoffnung bis Resignation wider und tragen das Stück mit ihrer Präsenz. Sie spielen mit Mimik, Gestik, Kleidung und in einem intimen Moment auch mit ihren Füßen.

Dominik Freynschlag inszeniert die Bühne im kleinen Balkon-Raum des Theaters gekonnt. Der von Torbögen gesäumte Gang erinnert an einen Flugzeugrumpf. Durch eine Webcam im mittleren Bogen, die an außen an den Rahmen angebrachte Bildschirme überträgt, sind einerseits die am Rand sitzenden Zuschauer stets im Bilde, andererseits werden so gelungene Dramaturgieeffekte hergestellt.

(S E R V I C E - „Nach uns das All oder Das innere Team kennt keine Pause“ von Sibylle Berg, Regie: Barbara Falter, Bühne: Dominik Freynschlag, Kostüme: Antje Eisterhuber, Musik: Bernhard Fleischmann. Mit Marion Reiser (Frau), Felix Rank (Mann). Theater Phönix, Wiener Straße 25, Weitere Aufführungen: 2., 3., 5., 6., 7., 15., 17., 21., 22., 26., 27., 29., 29., 30., 31. März, jeweils 19.30 Uhr. Karten unter www.theater-phoenix.at)