Signale der Kompromissbereitschaft im Brexit-Streit

London (APA/dpa/Reuters) - Weniger als vier Wochen vor dem offiziellen Brexit-Datum signalisieren die Europäische Union und Großbritannien K...

London (APA/dpa/Reuters) - Weniger als vier Wochen vor dem offiziellen Brexit-Datum signalisieren die Europäische Union und Großbritannien Kompromissbereitschaft. Dabei geht es um den sogenannten Backstop für Irland, über den beide Seiten bisher heftig gestritten haben - die letzte große Hürde für das Austrittsabkommen.

Der „Backstop“ soll auch künftig eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland garantieren. Bis eine andere Lösung gefunden ist, soll notfalls ganz Großbritannien in einer Zollunion mit der EU bleiben. Kritiker befürchten aber eine dauerhaft enge Bindung an die Staatengemeinschaft.

Brüssel will London nun in diesem Streit weiter entgegenkommen. „Wir wissen, dass es in Großbritannien ein Misstrauen gibt, der ‚Backstop‘ könne eine Falle werden, in der die Briten auf immer an die EU gebunden sind“, sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier der deutschen Zeitung „Die Welt“ (Samstag-Ausgabe). „Wir sind bereit, weitere Garantien, Versicherungen und Klarstellungen zu geben, dass der ‚Backstop‘ nur temporär sein soll.“

Die EU will aber kein Zeitlimit oder ein einseitiges Ausstiegsrecht der Briten zulassen. Barnier: „Was es geben kann, ist die Zusage einer Begrenzung des Backstops durch ein Abkommen über die künftige Beziehung. Und dies in Form eines interpretierenden Dokuments.“

Auch aus Großbritannien gab es versöhnliche Töne. Nach Ansicht des Vorsitzenden des einflussreichen 1922-Komitees der regierenden Konservativen Partei, Graham Brady, ist ein Durchbruch beim ‚Backstop‘ nahe. Er schrieb in der „Mail on Sunday“, das Land sei „müde von der Unschlüssigkeit und Verzögerung“. „Wenn der richtige Kompromiss gefunden wird, sollten wir uns hinter Premierministerin Theresa May stellen und ihr bei unserem Austritt aus der EU am 29. März helfen.“

Auch die European Research Group (ERG) der Konservativen, eine Gruppe von Brexit-Hardlinern um Jacob Rees-Mogg, signalisierte Entgegenkommen. Nach einem Bericht der „Sunday Times“ hat die Gruppe der Regierungschefin ein Papier mit Bedingungen vorgelegt: Sollten diese erfüllt werden, stütze man Mays Pläne. Das Papier soll der Zeitung zufolge auch mit der nordirischen Partei DUP (Democratic Unionist Party) abgesprochen sein, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist.

Das britische Parlament soll bis 12. März erneut über den Austrittsvertrag abstimmen, den es Mitte Jänner abgelehnt hatte. May sagte kürzlich bereits, sie stehe kurz davor, Zugeständnisse aus Brüssel zu erhalten. Danach legte das Unterhaus May darauf fest, bei Ablehnung des Vertrags und eines ungeregelten Brexit („No Deal“) auch über die Option einer Brexit-Verschiebung abstimmen zu dürfen.

Barnier bekräftigte, dass die Mitgliedstaaten der EU offen seien für eine Verlängerung der Brexit-Frist, wenn auch mit Bedingungen. Die Staaten wollten wissen, wozu die Verschiebung gut sein solle. Ähnlich hatte sich Barnier auch am Donnerstag bei einem Besuch in Wien geäußert.

Der EU-Chefunterhändler bestätigte, dass eine Verlängerung der Brexit-Frist vom Europäischen Rat beschlossen werden müsse, und zwar einstimmig. „Also müsste das, falls nach dem 14. März ein solcher Antrag kommt, beim nächsten EU-Rat am 21. März entschieden werden.“

Der britische Handelsminister Liam Fox hält eine längere Verschiebung des Brexit für unmöglich. Grund sei die EU-Wahl Ende Mai, sagte Fox am Sonntag der BBC. Ist Großbritannien dann noch in der EU, müssen die Briten mitwählen. Fox bezeichnete es aber als durchaus denkbar, dass Großbritannien die Europäische Union doch wie geplant am 29. März verlässt.

In der Labour Party zeichnet sich unterdessen Widerstand gegen ein zweites Brexit-Referendum ab. Etwa 60 bis 70 Abgeordnete seien strikt gegen eine weitere Volksabstimmung, sagte die Labour-Parlamentarierin Caroline Flint.

Labour-Chef Jeremy Corbyn stellte sich jüngst nach langem Zaudern hinter die Forderung nach einem zweiten EU-Referendum, sollten sich im Parlament für Labours Alternativplan für den Brexit nicht genügend Anhänger finden. Labour-Finanzexperte John McDonnell betonte am Sonntag, die Partei sei vor allem durch das Handeln der Regierungschefin zur Unterstützung eines Referendums gedrängt worden. „Wir sind dazu gezwungen worden, weil Theresa May verzögert und auf Zeit spielt“, sagte McDonnell dem Sender „Sky News“. Seine Partei wolle sich weiter dafür einsetzen, dass ihr alternativer Brexit-Plan angenommen werde.

Eine Demonstration mit Hunden gegen den Brexit ist am Sonntag kurzfristig wegen Regens abgesagt worden. Der tierische Protestzug ist nun für kommenden Sonntag geplant, wie die Veranstalter der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilten. Unter dem Motto „Brexit is a dog‘s dinner“ (zu Deutsch etwa: Brexit ist ein Schlamassel) sollen die Tiere dann am Londoner Parlament Dosenfutter mit einem Anti-Brexit-Spruch vorgesetzt bekommen. Bereits im Oktober waren bei einer ähnlichen Aktion Hunderte Menschen mit ihren Tieren in London auf die Straße gegangen.