Massenmord als episches Theater: „Opernball“ im Volx/Margareten

Wien (APA) - Auf diese Art von Aktualitätsbeweis hätte die Produktion gerne verzichten können: Wenige Tage vor der Uraufführung der Bühnenve...

Wien (APA) - Auf diese Art von Aktualitätsbeweis hätte die Produktion gerne verzichten können: Wenige Tage vor der Uraufführung der Bühnenversion von Josef Haslingers Roman „Opernball“, bei dem es um einen rechtsradikal motivierten Anschlag auf die Wiener Staatsoper geht, ermordete in Christchurch ein Fanatiker 50 Muslime. Die gestrige Premiere im Volx/Margareten bewies Sensibilität im Umgang mit dem Thema.

Regisseur Alexander Charim und Dramaturgin Heike Müller-Merten haben aus dem Roman, der 1995 für einen Skandal sorgte und einen terroristischen Massenmord durchdachte, wie er später Realität werden sollte, eine brauchbare Bühnenfassung destilliert. Zwei Ebenen laufen dabei parallel und kommen nur selten miteinander in Berührung: Rainer Gahlke ist als TV-Journalist Kurt Fraser bestrebt, die Hintergründe des Anschlags zu recherchieren, dem auch sein Sohn zum Opfer fiel; Sebastian Klein steht als sich „Der Geringste“ nennende Anführer im Zentrum von Rückblenden, die Umfeld und Vorgeschichte des Terrors beleuchten.

Bilder des Grauens werden ausgespart - auch auf den vielen auf der Bühne stehenden Bildschirmen, die in Technik und Ästhetik auf die 1990er verweisen. Es wird überhaupt mehr erzählt als gespielt. Charims „Opernball“-Inszenierung ist in ihrem Wechsel aus berichtenden und dialogischen Texten episches Theater im besten Sinn. Das funktioniert deshalb über weite Strecken des mit zwei pausenlosen Stunden eine Spur zu langen Abends tadellos, weil Charim in den richtigen Augenblicken verdichtet, Atmosphäre entstehen lässt, und ansonsten durchaus Tempo macht. Und weil er ein ausgezeichnetes Darsteller-Sextett zur Verfügung hat.

Vor allem jene Gruppe aus Fremdenhassern, religiösen Sektierern und anderen fanatisierten Wirrköpfen, die sich „Die Volkstreuen“ nennt, ist hervorragend zusammengestellt. Sebastian Klein stellt als ihr Anführer, der seine Leute auf den Slogan „Worte überzeugen niemanden mehr - nur Taten!“ einschwört und sich nach einem von ihm initiierten „Gürtelhausbrand“ mit 24 Toten in den USA ein neues Gesicht machen lässt, um unerkannt „Harmagedon“ vorzubereiten, erneut seine Eignung zu harten, charismatischen Figuren unter Beweis. Thomas Frank, Stefan Suske, Lukas Watzl und Bernhard Dechant sind nicht nur die verbitterten, im Leben zu kurz gekommenen selbst ernannten Vaterlandsverteidiger, die sich endlich wehren wollen, sondern in Mehrfachrollen auch Repräsentanten des Systems und eines unterwanderten Polizeiapparats.

Charim gelingt es, der Vielschichtigkeit des Buches gerecht zu werden und sogar Erinnerungen an die seinerzeitigen Opernballdemos wieder lebendig werden zu lassen. Einige wenige Einwände: Die karge Bühne von Ivan Bazak wirkt mit ihrer Mischung aus Technik- und Natur-Environment ein wenig beliebig und nutzt die Drehbühne kaum; die Figur des Journalisten Fred verliert zeitweise den Kontakt zum übrigen Geschehen und wirkt dann ein wenig verloren; die Doppelung seines drogensüchtigen Sohnes, um dessen zweite Chance Fred kämpft, überzeugt nicht so recht.

Ansonsten aber gelingt es dieser Uraufführung mit viel Fingerspitzengefühl, nicht nur das Romangeschehen lebendig werden zu lassen, sondern auch dessen Aktualität zu betonen. Am Ende verkündet der Polizeipräsident als Konsequenz die Rückholung eines hohen Polizeijuristen, der, wie der Zuseher weiß, Mitwisser des Attentats war, sowie eine neue Härte, die zeigen soll, dass Toleranz und Liberalität ihre Grenzen haben. „Ein Recht ohne Macht ist zum Untergang verurteilt.“ Willkommen in der Gegenwart.

(S E R V I C E - „Opernball“ nach dem gleichnamigen Roman von Josef Haslinger, Bühnenfassung von Alexander Charim und Heike Müller-Merten, Regie: Alexander Charim. Bühne und Kostüme: Ivan Bazak. Mit Bernhard Dechant, Thomas Frank, Rainer Galke, Sebastian Klein, Stefan Suske und Lukas Watzl. Uraufführung. Premiere: 17.3., 20 Uhr, Nächste Aufführungen: 19., 23.3., Volx/Margareten, Wien 5, Margaretenstraße 166, Karten: 01 / 52111-400, www.volkstheater.at)