Internationale Pressestimmen zu den „Gelbwesten“-Ausschreitungen
Paris/Wien (APA/dpa/AFP) - Über die gewalttätigen Ausschreitungen bei den Protesten der „Gelbwesten“ und zu den Ankündigungen des französisc...
Paris/Wien (APA/dpa/AFP) - Über die gewalttätigen Ausschreitungen bei den Protesten der „Gelbwesten“ und zu den Ankündigungen des französischen Premierminister Édouard Philippe einen härteren Kurs einzuschlagen, schreiben internationale Tageszeitungen am Dienstag:
„Le Monde“ (Paris):
„(Der Präsident) ist brutal wieder ins Zentrum dieser beispiellosen Krise gestürzt, die kein Ende nimmt, und in der er zugleich Hauptzielscheibe und oberster Feuerwehrmann ist. Über Beschlüsse für die öffentliche Sicherheit hinaus muss er unverzüglich politische und soziale Antworten für die Krise finden, die in ihrem Kern politisch und sozial ist. Wieder einmal steht der Fortgang seiner fünfjährigen Amtszeit in Frage.“
„Le Figaro“ (Paris):
„Einen ganzen Tag lang waren die Polizisten und Gendarmen überfordert, wurden bedrängt, eingeschüchtert oder sogar angegriffen. Zu keiner Zeit schien es so, als hätten sie die Oberhand und seien in der Lage, das Chaos zu stoppen. Schwerwiegende und unerklärliche taktische Fehler wurden offenbar. Nur weil der Präsident Ski fahren geht, hat er ja nicht Urlaub von der Macht. (...) Seit vier Monaten gibt es nun die Bewegung der ‚Gelbwesten‘. Es ist empörend, solche Plünderungen festzustellen. Und es ist deprimierend, dass die Regierung dieser Herausforderung nicht gerecht wird.“
„La Voix du Nord“ (Lille):
„Je mehr das Staatsoberhaupt und die Regierung machtlos erscheinen, die systematischen Zerstörungen zu verhindern, desto mehr banalisieren und ermutigen sie die Krawall-Profis und die neu gewonnenen Amateure. Aber es fehlt nicht viel, dass aus Sachschäden, die sich schon jetzt auf das Leben auswirken, früher oder später Gewalt gegen Menschen wird. Der bürgerliche Frieden ist gefährdet. Die erste Aufgabe des Staates ist es, Menschen und Eigentum zu schützen. Diese Aufgabe wurde letzten Samstag wieder einmal nicht erfüllt. Es wäre besser, dass sie es nächsten Samstag wird.“
„République des Pyrénées“ (Pau):
„Auch wenn es wahrscheinlich unvermeidlich ist, den Sicherheitskräften Möglichkeiten des Eingreifens (zurück-)zugeben, um derartige Gewalt einzudämmen, bleibt es unverständlich, wie man aufseiten der Macht derartig unvorbereitet getroffen wurde. Es waren (...) alle Signale da, dass dieser 16. März ein Samstag aller Gefahren sein würde. Der Pariser Polizeipräfekt (Michel Delpuech) wurde entlassen. Das war das mindeste. Innenminister (Christophe Castaner) hätte sich größer gemacht, indem er seinen Rücktritt vorgeschlagen hätte.“
„Neue Zürcher Zeitung“:
„Präsident Macron und seine Regierung müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Aufstand der ‚Gelbwesten‘ nicht ausgestanden ist, sondern weitergeht. Die Bewegung hat laut Meinungsumfragen immer noch die Unterstützung von etwa der Hälfte der Bevölkerung. Bereits wird die Blockierung von Häfen und Raffinerien ins Auge gefasst. Möglicherweise wird der Protest gewalttätigere Formen annehmen. Was als weitestgehend friedliche Bewegung auf den Straßenkreiseln im Land draußen begann, könnte zu einem Ritual großstädtischer Krawalle ausarten – Gewalt um der Gewalt willen.“
„de Volkskrant“ (Amsterdam):
„Die Gewaltausbrüche sind ein großer Rückschlag für einen Präsidenten, der gerade wieder Fuß fasste. Macron reagierte auf die Bewegung der ‚Gelbwesten‘, indem er 10 Milliarden Euro für die Verbesserung der Kaufkraft bereitstellte und eine große Debatte organisierte, in der alle Franzosen ihre Beschwerden äußern und Verbesserungsvorschläge machen konnten. (...) Aber nun bricht für Macron erneut eine schwierige Zeit an. Er muss die oft widersprüchlichen Forderungen der Bürger zu einem politischen Paket schnüren, das unweigerlich Enttäuschung und neue Uneinigkeit hervorrufen wird. Währenddessen haben die revolutionären Szenen vom vergangenen Samstag seine Autorität erneut untergraben. Macron versprach Frankreich einen Neuanfang, aber genau wie seine Vorgänger Chirac, Sarkozy und Hollande merkt er, wie schwer das Land zu verändern ist.“