May sucht nach einem Ausweg aus der Brexit-Sackgasse
London/Brüssel (APA/dpa/Reuters/AFP) - Die britische Regierung sucht nach der Ablehnung einer erneuten Abstimmung über ihren Brexit-Deal dur...
London/Brüssel (APA/dpa/Reuters/AFP) - Die britische Regierung sucht nach der Ablehnung einer erneuten Abstimmung über ihren Brexit-Deal durch Parlamentspräsident John Bercow nach einem Ausweg aus der Sackgasse. Auch die Europäische Union erwartet dringend eine klare Linie aus London, wie sie am Dienstag deutlich macht.
„Wir sind nun noch genau zehn Tage vom Rückzug Großbritanniens aus der Europäischen Union entfernt“, sagte ein Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Man beobachte die Ereignisse im britischen Unterhaus genau, könne sie aber weder kommentieren noch beeinflussen. Es sei nun an der britischen Regierung, über die nächsten Schritte zu entscheiden und sie rasch der EU mitzuteilen, sagte der Sprecher.
Parlamentspräsident Bercow hatte am Montag deutlich gemacht, dass das bereits zwei Mal vom Unterhaus abgelehnte Brexit-Vertragspaket den Abgeordneten nur mit substanziellen Änderungen ein weiteres Mal vorgelegt werden darf. Was genau damit gemeint ist, war aber zunächst unklar. Bercow wird wegen der Anwendung der 415 Jahre alten Regel vor allem von der konservativen britischen Boulevardpresse heftig angegriffen. Der „Daily Express“ nannte ihn am Dienstag auf der Titelseite einen „Brexit-Zerstörer“, die „Daily Mail“ sprach von einem „Akt der Sabotage“. Die „Sun“ titelte überhaupt gleich: „Bercow kann uns mal“.
Die Regierung in London kam am Dienstag zu Beratungen über das weitere Vorgehen zusammen. Brexit-Minister Stephen Barclay warb zuvor abermals für das zweimal gescheiterte Abkommen: Es sei weiterhin „der beste Weg“, den Brexit zu erreichen, sagte der Minister der BBC.
Bereits am Donnerstag wird May mit anderen Staats- und Regierungschefs zum EU-Gipfel in Brüssel erwartet. Sie wollte dann eine Verlängerung der Austrittsfrist beantragen, die am 29. März eigentlich endet. Das hatte das Parlament vergangene Woche beschlossen. May hatte dem Parlament eine kurze Verlängerung bis Ende Juni in Aussicht gestellt, für den Fall, dass der Deal vorher noch angenommen wird. Sollte er abgelehnt werden, warnte sie vor einer langen Verzögerung.
Doch eine Abstimmung über den Deal vor dem EU-Gipfel scheint nun kaum noch möglich. Spekuliert wird daher, May könne einen langen Aufschub beantragen, mit der Option, abzukürzen, sollte sie doch noch eine Mehrheit im Parlament bekommen. Eine Verschiebung des Brexits muss von den EU-Staats- und Regierungschefs einstimmig beschlossen werden.
Die EU will einer Brexit-Verschiebung nur zustimmen, wenn Großbritannien einen klaren Plan für das weitere Vorgehen vorlegt. „Ich kann nur noch einmal an unsere britischen Partner in London appellieren, jetzt endlich einen konkreten Vorschlag zu machen, warum man überhaupt eine Verlängerung anstrebt“, sagte der deutsche Europastaatsminister Michael Roth (SPD) am Dienstag am Rande von EU-Beratungen in Brüssel. Ähnlich äußerte sich auch die französische Europaministerin Nathalie Loiseau. „Wenn das Vereinigte Königreich einen Aufschub will, muss es sagen warum“, sagte sie.
Auch der schwedische Minister für EU-Angelegenheiten, Hans Dahlgren, forderte Signale aus London, wie der Prozess zu einem Ende gebracht werden soll. „Wir haben in der EU mit einer ganzen Menge anderer Dinge zu tun. ... Lasst es uns anpacken.“ Auch die rumänische EU-Ratspräsidentschaft verlangte eine eindeutige Position der Briten. „Offenkundig gibt es keine Klarheit, heute noch weniger als gestern“, klagte der rumänische EU-Minister George Ciamba vor einer Sitzung mit seinen Kollegen.
EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP) vermisst ebenfalls Klarheit auf britischer Seite. „Die Briten wissen immer noch nicht, was sie wollen“, sagte Blümel Dienstag vor dem EU-Rat in Brüssel. Angesprochen auf mögliche Szenarien wie eine kurze oder längere Verlängerung der Austrittsfrist erklärte er: „Zunächst müssen sie was vorlegen, über das die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag beraten können. Klar ist, jeder will einen No Deal-Brexit verhindern. Aber die Wahrscheinlichkeit steigt, wenn die Unsicherheit bleibt“.
Wenn die EU-Staaten einem britischen Antrag auf Verschiebung des Austrittsdatums nicht einstimmig zustimmen, könnte es am 29. März zu einem ungeregelten Brexit kommen. An diesem Tag endet die im EU-Vertrag vorgesehene Zwei-Jahres-Frist für den britischen Austritt. Ein ungeregelter Brexit kann demnach nur noch gestoppt werden, wenn das Austrittsgesuch zurückgezogen oder ein Antrag auf eine Fristverlängerung eingereicht wird.