Ukraine: Minderheitenvertreter übt Kritik an geplantem Sprachgesetz

Kiew (APA) - Etwa 2.000 Abänderungsanträge dürften verhindern, dass die Werchowna Rada ein umstrittenes Sprachgesetz noch vor den Präsidente...

Kiew (APA) - Etwa 2.000 Abänderungsanträge dürften verhindern, dass die Werchowna Rada ein umstrittenes Sprachgesetz noch vor den Präsidentenwahlen am 31. März beschließen wird. Massive Kritik übt ein maßgeblicher Vertreter der ungarischen Minderheit im ukrainischen Parlament: Das neue Gesetz sei strenger als das ebenso umstrittene Bildungsgesetz, erklärte Wassyl Brensowitsch gegenüber der APA.

„Das (geplante, Anm.) Gesetz verbietet de facto die Verwendung der Sprache nationaler Minderheiten im öffentlichen Bereich. Es bleibt nur noch die religiöse Sphäre und das Privatleben. Das ist für uns inakzeptabel“, sagte der aus dem westukrainischen Transkarpatien stammende Abgeordnete Brensowitsch, der in der Werchowna Rada dem Block Petro Poroschenko (BPP) angehört.

Da dieses Gesetz wie auch das (im Herbst 2017 beschlossene, Anm.) Bildungsgesetz seiner Ansicht sowohl gegen die ukrainische Verfassung als auch gegen internationale Verpflichtungen der Ukraine verstoße, Minderheitenrechte nicht einzuschränken, werde er es nicht unterstützen, betonte der Vertreter der ungarischen Minderheit.

Brensowitsch machte deutlich, dass er von einer Annahme des Gesetzes durch eine parlamentarische Mehrheit ausgeht. „In meiner Fraktion ist eine Mehrheit für dieses Gesetz. Ein Teil der Fraktion unterstützt mich, anderen in der Fraktion ist das Gesetz nicht streng genug“, beklagte der Politiker.

Kritik in der Fraktion des Präsidenten gibt es insbesondere an Teilen des „Gesetzes zur Sicherstellung des Gesetzes zum Funktionieren des Ukrainischen als Staatssprache“, in denen in privatwirtschaftliche Mechanismen eingegriffen wird. Die BPP-Abgeordnete Olha Tscherwakowa kritisierte am Dienstag gegenüber der APA eine geplante Bestimmung, laut der Printmedien nur dann in anderen Sprachen erscheinen dürfen, wenn sie in gleicher Auflagezahl auch in ukrainischer Sprache aufgelegt werden. Die englischsprachige „Kyiv Post“ hatte bereits im Herbst angekündigt, dass eine derartige Bestimmung das Ende dieser Zeitung bedeuten würde.

Einer der Hauptinitiatoren des Gesetzes, Mykola Knjaschyzkyj, verteidigte am Dienstag das geplante Gesetz als „eines der demokratischsten im gesamten zentral- und osteuropäischen Raum“. Die Behauptung politischer Gegner, dass es keinen Bedarf an diesem Gesetz gebe, sei als Synonym zu verstehen, dass es keinen Bedarf an der Ukraine gebe und die ukrainische Sprache und Nation nicht existierten. Knjaschyzkyj ist selbst Medienunternehmer, er gehört der mitregierenden „Narodnyj Front“ („Volksfront“) an, der bei den Wahlen im Herbst kaum noch Chancen auf einen Wiedereinzug ins ukrainische Parlament eingeräumt werden.

Gesetzliche Maßnahmen, die die Verwendung von Sprachen reglementieren, gelten in der Ukraine traditionell als heikel. Der Beschluss einer parlamentarischen Mehrheit am 23. Februar 2014 ein vergleichsweise liberales Gesetz zur Sprachpolitik aus dem Jahr 2012 aufzuheben, fungierte seinerzeit als wichtiges Argument auf der Krim und in der Ostukraine gegen die neuen Machthaber in Kiew. Übergangspräsident Oleksandr Turtschynow verweigerte damals jedoch seine Unterschrift und vermied die Aufhebung des betreffenden Gesetzes, das erst durch eine Entscheidung des ukrainischen Verfassungsgerichtshofes Anfang 2018 seine Wirksamkeit verlor.

Bereits zuvor hatte das Parlament in Kiew 2017 jedoch ein Bildungsgesetz beschlossen, das insbesondere von der ungarischen Regierung heftig kritisiert worden war. Das NATO-Mitglied Ungarn verhindert seit damals Treffen der westlichen Verteidigungsorganisation mit ukrainischen Vertretern auf Ministerniveau. Kritische Anmerkungen zum nunmehr geplanten Sprachgesetz kamen zuletzt nicht nur aus Ungarn. Die Menschenrechtsbeauftragte des Europarates, Dunja Mijatovic, forderte vergangene Woche das ukrainische Parlament auf, einen Beschluss zu diesem Gesetz auf einen Zeitpunkt nach den Wahlen zu verlegen. „Gemeinschaften mit unterschiedlichen Sprachen sollten bei solchen Bestimmungen in den Gesetzgebungsprozess mitberücksichtigt werden und ihre Ansichten angemessen berücksichtigt werden“, regte Mijatovic an.