Bosnien vor Urteilsverkündung gegen Karadzic tief gespalten

Sarajevo/Den Haag (APA) - Vor der Verkündung des rechtskräftigen Urteils gegen den früheren bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic am heut...

Sarajevo/Den Haag (APA) - Vor der Verkündung des rechtskräftigen Urteils gegen den früheren bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic am heutigen Mittwoch macht sich in Bosnien-Herzegowina wieder einmal eine tiefe Spaltung zwischen den einstigen Kriegsgegnern, der heutigen Bosniakisch-Kroatischen Föderation und der Republika Srpska, bemerkbar.

In erster Instanz war Karadzic im April 2016 zu 40 Jahren Haft verurteilt worden. Familienangehörige von Kriegsopfern, allen voran jene aus der einstigen bosniakischen Enklave Srebrenica, hoffen nun, dass der MICT - der Nachfolger für das UNO-Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien - in Den Haag lebenslang für den Angeklagten verkünden wird.

Fikret Grabovica, Leiter eines Verbandes von Eltern aus Sarajevo, deren Kinder - insgesamt 1.600 - während der 44-monatigen Belagerung der Stadt durch serbische Truppen ums Leben gekommen waren, würde lebenslang für Karadzic für eine angemessene Haftstrafe halten. Ebenso äußerte sich Edin Batlak von einem Kriegsgefangenenverband aus Mostar. Allerdings dürfte der nunmehr 73-jährige Karadzic auch bei der Bestätigung der in erster Instanz verkündeten Haftstrafe wohl nie mehr auf freien Fuß kommen.

„Es ist unmöglich, dass nur eine Seite schuldig ist“, konterte der Präsident des bosnischen Staatspräsidiums, der Serbe Milorad Dodik, vor der Urteilsverkündung. Seiner Ansicht nach habe es im Berufungsverfahren keine Antwort auf viele von Karadzic gestellte Fragen gegeben.

Der Urteilsverkündung im Gerichtssaal des MICT werden Vertreter von Opferfamilien beiwohnen, die Familienangehörigen von Karadzic hingegen nicht, meldeten Belgrader Medien.

In erster Instanz war Karadzic in zehn von elf Anklagepunkten schuldig gesprochen worden. Unter anderem ging es um den Völkermord in Srebrenica, wo von bosnisch-serbischen Truppen im Juli 1995 rund 8.000 bosniakische (muslimische) Burschen und Männer ermordet wurden, aber auch um die Belagerung der bosnischen Hauptstadt Sarajevo und die Geiselnahme von UNO-Soldaten im Jahre 1995. Während der Belagerung Sarajevos kamen in der Hauptstadt rund 11.450 Menschen ums Leben.

Das Massaker von Srebrenica gilt als das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Der ehemalige bosnisch-serbische Militärchef Ratko Mladic war im November 2017 in erster Instanz zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Sein Berufungsverfahren ist im Gange.

~ WEB http://www.unmict.org/en ~ APA222 2019-03-20/11:56