Prozess um Zugunfall 3 - Gutachter: Keine krankheitsbedingte Ursache

St. Pölten (APA) - Ein neurologisch-psychiatrischer Sachverständiger hat am Mittwoch in einem Prozess in St. Pölten Erkrankungen und einen K...

St. Pölten (APA) - Ein neurologisch-psychiatrischer Sachverständiger hat am Mittwoch in einem Prozess in St. Pölten Erkrankungen und einen Kreislaufkollaps mit Gedächtnisverlust des Triebwagenführers als Ursache für den Unfall auf der Mariazellerbahn ausgeschlossen. Am Zug gab es laut einem weiteren Gutachten keine technischen Störungen. Befragt wurden mehrere Zeugen, die bei dem Unfall verletzt wurden.

„Kurz vor der Kurve habe ich mir gedacht: Bist du fertig, der legt sich heute ziemlich in die Kurve“, schilderte ein 24-Jähriger. Als er in der umgekippten Bahngarnitur zu sich kam, sei er am Boden gelegen. Ein anderer Fahrgast habe das Fenster eingeschlagen, wodurch Passagiere aus dem Zug klettern konnten. Der junge Mann war wegen Brüchen von Rippen und Schlüsselbein nach dem Unfall zwei Monate im Krankenstand.

Eine 19-Jährige erzählte, sie sei auf dem Weg in die Arbeit gewesen und habe den Kopf gegen das Zugfenster gelehnt und die Augen geschlossen gehabt. Die Glasscheibe sei bei dem Unfall zu Bruch gegangen. „Menschen haben geschrien“, schilderte die Zeugin. „Es ging alles sehr schnell.“ Die junge Frau war mit Prellungen vom Hubschrauber in ein Wiener Krankenhaus geflogen worden. Eine gleichaltrige Zeugin, die sich im umgekippten Wagen befand, zog sich ebenfalls Prellungen zu.

Ein weiterer Passagier hatte mehrere Brüche, eine Gehirnerschütterung und Luftröhrenverletzungen erlitten. Nach dem Unfall „gingen die Lichter aus bei mir, dann weiß ich nichts mehr“, sagte der Mann im Zeugenstand. Erst am nächsten Tag kam er in der Intensivstation zu Bewusstsein, zwei Wochen verbrachte er im Krankenhaus. „Die Schmerzen gingen über Monate.“ Der Mann schloss sich mit 10.000 Euro als Privatbeteiligter am Verfahren an, die Summe wurde vom Angeklagten - wie auch die anderen Geldforderungen von Verletzten - nicht anerkannt.

Der Beschuldigte habe von einem „Gedächtnisverlust“ bzw. „Kreislaufversagen“ gesprochen, sagte der neurologisch-psychiatrische Sachverständige Richard Billeth. Erkrankungen und Alkoholkonsum wurden als Ursache ausgeschlossen. Der Gutachter bezeichnete es als „unwahrscheinlich, dass ein gesunder junger Mann aus sitzender Position einen Kreislaufkollaps erleiden soll, der so stark ist, dass er das Gedächtnis völlig verliert“, dadurch hätte der 26-Jährige bewusstlos sein müssen. „Diese Möglichkeit halte ich für extrem unwahrscheinlich.“ Auf das sogenannte Sifa-Horn habe er nach 0,62 Sekunden durch Betätigen des Sifa-Pedals reagiert und dann eine manuelle Bremsung eingeleitet, „ein Bewusstloser kann das nicht machen“. Deshalb schloss der Gutachter ein Kreislaufproblem des Beschuldigten ebenfalls aus.

Der Sachverständige aus dem Bereich Eisenbahnwesen, Thomas Strassmayer, hielt zu einer Untersuchung von Zug und Oberbau fest: „Es lagen keine technischen Störungen vor.“ Laut Analyse des Fahrtenschreibers sei die „Himmelstreppe“ regelkonform unterwegs gewesen, das habe sich aber dann „schlagartig geändert“: „Dann passt eigentlich gar nichts mehr“ - mit Ausnahme des kurzzeitigen Entlastens des Sifa-Pedals. Der 26-Jährige habe die Geschwindigkeitstafel mit 35 km/h nicht beachtet und vor der Kurve keine Bremsung durchgeführt. „Alle 400 Meter verlangt das Fahrzeug einen Impuls, um die Aktivität des Triebfahrzeugführers festzustellen“, erklärte der Gutachter, deshalb sei das Sifa-Horn ertönt. Daraufhin habe der Angeklagte das Sifa-Pedal kurzzeitig entlastet und wieder gedrückt. Die Bremsung sei nicht normenkonform durchgeführt worden.