Lebenslang für Karadzic - Hoffnung vieler Opferfamilien erfüllte sich

Sarajevo/Den Haag (APA) - Die Hoffnungen vieler Familienangehöriger von Kriegsopfern aus Srebrenica und anderen Teilen Bosnien-Herzegowinas ...

Sarajevo/Den Haag (APA) - Die Hoffnungen vieler Familienangehöriger von Kriegsopfern aus Srebrenica und anderen Teilen Bosnien-Herzegowinas sind am heutigen Mittwoch in Erfüllung gegangen. Die Richter des internationalen Gerichtshofs MICT haben den einstigen bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic zu lebenslanger Haft verurteilt. In erster Instanz war er zuvor im April 2016 noch mit 40 Jahren Haft davon gekommen.

Das rechtskräftige Urteil gegen Karadzic sei ein „großes Ereignis für Bosnien und alle seine Bürger und namentlich für die Familien der Opfer“, meinte Nermin Niksic, Chef der Sozialdemokratischen Partei (SDP), in einer ersten Reaktion gegenüber bosnischen Medien.

In Potocari, der Gedenkstätte für die Opfer des Srebrenica-Massakers, wo die Urteilsverkündung von deren Familienangehörigen verfolgt wurde, soll totale Stille geherrscht haben, als der Berufungssenat seine Entscheidung verkündete. Danach habe es Tränen und Applaus gegeben, berichtete das Internetportal „Klix.ba“. Mit Applaus wurde das rechtskräftige Urteil demnach auch im großen Saal des Stadtrates von Sarajevo begrüßt, wo seine Verkündung sowohl von Angehörigen der Kriegsopfer wie auch zahlreiche Studenten und Professoren verfolgt wurde.

Für Zeljko Komsic, den kroatischen Vertreter in der dreiköpfigen bosnischen Staatsführung, sichert das Urteil ein „Mindestmaß an Gerechtigkeit“ für die Opfer. Es gelte, vor allem an die Überlebenden und die Familienangehörigen der Opfer zu denken, sagte er. Auch gebe es keine angemessene Haftstrafe für die Verbrechen, welche Karadzic und seine Mitarbeiter begangen hätten, meinte Komsic ferner. Emir Hajdarevic, Präsident eines Kriegsgefangenenverbandes aus Mostar, ist der Ansicht, dass am heutigen Mittwoch die Ungerechtigkeit, welche das Urteil in erster Instanz dargestellt habe, korrigiert worden sei.

Ganz andere Stimmung herrschte nach der Urteilsverkündung in der bosnischen Serbenrepublik. Deren Regierungschef Radovan Viskovic meinte gar, dass Karadzic, der sich seit 2008 im Gefängnis befindet, heute eigentlich seinen Koffer packen und in die bosnische Serbenrepublik zurückkehren müsste, würde man in Den Haag die „Gerechtigkeit und das Gesetz“ achten.

Serben seien vom Den Haager Gericht zu tausend Jahren Haft verurteilt worden, für die Verbrechen an Serben sei aber niemand zur Rechenschaft gezogen worden, so Viskovic dem TV-Sender RTRS gegenüber. Für die von Karadzic gebildete Serbische Demokratische Partei (SDS) sei das rechtskräftige Urteil „skandalös“ und „unbegründet“.

Zu Wort meldete sich auch der serbische Ultranationalist Vojislav Seselj, der vor einem Jahr in Den Haag selbst rechtskräftig zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Das Urteil gegen Karadzic sei „in schlimmster Tradition des UNO-Tribunals“ gewesen. Auch würde es auf falschen Zeugenaussagen beruhen und sei von „inkompetenten Menschen“ gefällt worden, erklärte Seselj, ohne seinen Standpunkt zu erläutern.

Fikret Alic, einst Gefangener in den berüchtigten bosnisch-serbischen Gefangenenlagern Keraterm und Trnopolje, ist dagegen überzeugt, dass der Gerechtigkeit nun wenigstens zum Teil Genüge getan worden sei. Er selbst leide so viele Jahre nach dem Krieg aber noch immer an Albträumen, erzählte Alic gegenüber Medien in Sarajevo.

~ WEB http://www.unmict.org/en ~ APA471 2019-03-20/16:44