Internationale Pressestimmen zur EVP-Suspendierung von Fidesz
Budapest/Brüssel (APA/dpa) - Zur Aussetzung der Mitgliedschaft der ungarischen Regierungspartei Fidesz in der Europäischen Volkspartei (EVP)...
Budapest/Brüssel (APA/dpa) - Zur Aussetzung der Mitgliedschaft der ungarischen Regierungspartei Fidesz in der Europäischen Volkspartei (EVP) schreiben die Zeitungen am Donnerstag:
„Magyar Nemzet“ (Budapest):
„Diese Zeitung hat in den letzten Wochen und Tagen zahlreiche Male dargelegt, dass nichts mehr für den Verbleib des Fidesz in der EVP spricht, dass hingegen alles dagegen spricht und dass es auch nichts abzuwägen gibt. Obwohl die Tür gestern nicht zugeschlagen wurde (...), hat sich nach unserer Einschätzung an der Ausgangslage nichts geändert. (...) Wenn wir zu Recht voraussetzen, dass sich der Fidesz in den vor uns stehenden gut zwei Wochen nicht grundlegend verändern wird, dann stellt sich die Frage, inwiefern der Fidesz und das Wahlergebnis (der Europawahl im Mai) dazu fähig sein werden, die EVP zu verändern. Wenn überhaupt nicht, dann haben selbst geringfügige Zugeständnisse (von Seiten des Fidesz) keinen Sinn. Bedeutendere, an den Grenzen der Selbstaufgabe kratzende schon gar keinen. (...) In seiner gestrigen Pressekonferenz verriet (Partei- und Regierungschef) Viktor Orban, dass er während der Verhandlungen zuvor in der rechten Hand die Austrittserklärung gehalten hatte. Doch niemand hat gesehen, dass er das Dokument zerrissen oder ins Feuer geworfen hätte.“
„Sme“ (Bratislava):
„Vor nahezu zwanzig Jahren hat (Regierungschef Viktor) Orban mit seiner Partei die Liberale Internationale verlassen, um sich den europäischen Christdemokraten anzuschließen. Und denen hat er inzwischen einzureden begonnen, dass nicht er sich nach rechts bewege, sondern sie nach links gerutscht seien. Und bereitwillig bot er ihnen seinen Moses-Dienst an, die Verirrten wieder zurück zu führen. (...)
Sich von einer so großen Partei zu trennen ist schwer, zumal Manfred Weber auch von den Ungarn die nötigen Stimmen für den Weg bekommen hat, der ihn an die Spitze der EU-Kommission führen soll. Doch schon die Bereitschaft des EU-Parlaments und dabei auch der Mehrheit der EVP-Abgeordneten, den Artikel 7 des Lissabon-Vertrags zu aktivieren, hat gezeigt, dass mit Ungarn nicht mehr nur ein idyllisches Geplauder über mitteleuropäische Besonderheiten abläuft.
Zu lange konnte Orban nämlich erfolgreich die Wirklichkeit verschleiern, indem er sich über mangelndes Verständnis für unsere Region beklagte und auf historische Narben verwies. Er konnte sich sogar so weit in Leidenschaft hineinreden, dass er bis zu den historischen Abwehrkämpfen gegen die Türken kam, als ob die noch bis heute ablaufen würden.“
„Dagens Nyheter“ (Stockholm):
„Viktor Orban ist wahrscheinlich der gefährlichste Politiker Europas, ein Opportunist, der seine Macht missbraucht, der systematisch die liberale Demokratie in Ungarn demontiert und dabei den Antisemitismus ausnutzt, der zum dunklen Erbe des Landes gehört. (...) Noch wichtiger ist es jedoch, dass die demokratische Rechte in Europa nun nicht mehr so tun muss, als ob Politiker vom Schlage Orbans gezähmt werden könnten.“
„Tages-Anzeiger“ (Zürich):
„Die Mitgliedschaft von Orbans Regierungspartei Fidesz vorerst zu suspendieren, ist ein recht schlauer Kompromiss. Viktor Orban bleibt eingebunden und unter Beobachtung. Das ist klug, weil in Europa inzwischen fast jedes Land seinen Orban hat. So haben Europas Sozialdemokraten zum Beispiel ein akutes Problem mit ihren rumänischen Genossen, die sich in Bukarest bereichern und ähnlich wie Viktor Orban in Ungarn den Abbau des Rechtsstaates vorantreiben. Ausgrenzen und Brücken abreissen hilft da nicht viel, im Gegenteil. (...)
Politiker wie Viktor Orban müssen konfrontiert werden, unter anderem auch mit ihren eigenen Widersprüchen. Weglaufen bringt da gar nichts.“