Karadzic sieht seine Verurteilung als Strafe für Serbenrepublik
Sarajevo/Den Haag (APA) - Der zu lebenslanger Haft verurteilte einstige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic sieht sich als Opfer einer k...
Sarajevo/Den Haag (APA) - Der zu lebenslanger Haft verurteilte einstige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic sieht sich als Opfer einer kollektiven Bestrafung der bosnischen Serben. Karadzic war am Mittwoch vor dem internationalen Gerichtshof MICT in Den Haag unter anderem wegen Völkermord verurteilt wurde, seiner Ansicht nach für die Errichtung der bosnischen Serbenrepublik.
Seine Verurteilung sei eine „unfruchtbare Rache“ des Haager Gerichtes, welches ihm als einem alten Mann nichts antun könne, erklärte der 73-Jährige in einer Botschaft an die bosnischen Serben, die am Mittwochabend von einem seiner Anwälte im bosnisch-serbischen TV-Sender RTRS in Banja Luka überbracht wurde. Das Opfer, das er erbringe, sei geringer als jenes anderer - Tausende junge Menschen hätten mit ihrem Leben die Serbenrepublik errichtet, erklärte er.
Die bosnische Serbenrepublik war 1992 drei Monate vor Beginn des blutigen Bürgerkriegs in der damaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowina ausgerufen worden. Das heutige Bosnien-Herzegowina wurde durch das Dayton-Friedensabkommen Ende 1995 als ein aus zwei Landesteilen - der Bosniakisch-Kroatischen Föderation und der Republika Srpska - bestehender Staat aufgebaut.
Karadzic kündigte an, auch im Gefängnis das Ringen um die Wahrheit über den gerechten Kampf im Krieg, der den Serben aufgezwungen worden sei und in dem alle drei Völker gelitten hätten, nicht aufzugeben. Der einstige Serbenführer versäumte nicht die Gelegenheit, seine Verantwortung für die verübten Kriegsverbrechen herunterzuspielen. In jedem Krieg und besonders in einem Bürgerkrieg würden von „Monstern“ Kriegsverbrechen begangen, meinte Karadzic in seiner Botschaft an die bosnischen Serben. Vom bosnisch-serbischem Staat seien diese, soweit bekannt, vor Gericht gebracht und verurteilt worden.
Karadzic wurde unter anderem wegen des Völkermordes in Srebrenica, dem schwersten Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, verurteilt. Der Verurteilte wandte sich mit keinem Wort an die Familienangehörigen von nicht-serbischen Opfern.
Mit der lebenslangen Haftstrafe für Karadzic geht die Hoffnung von vielen Opferfamilien in Erfüllung. Das rechtskräftige Urteil gegen Karadzic sei ein „großes Ereignis für Bosnien und alle seine Bürger und namentlich für die Familien der Opfer“, meinte Nermin Niksic, Chef der Sozialdemokratischen Partei (SDP), in einer ersten Reaktion gegenüber bosnischen Medien. In erster Instanz war Karadzic zuvor im April 2016 noch mit 40 Jahren Haft davon gekommen.
Othmar Karas, ÖVP-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl, erklärte, dass das Urteil für „späte Gerechtigkeit“ sorge und zeige, dass Kriegsverbrechen „nicht straflos“ blieben. Die Aufarbeitung der Gräueltaten in Srebrenica und anderswo am Westbalkan und der Wille zur Versöhnung seien zentrale Voraussetzungen für den Frieden und die Stabilität in der Region und die EU-Annäherung der Staaten des Westbalkan.
Bosnisch-serbische Spitzenpolitiker hingegen kritisierten die Verurteilung von Karadzic. Für Milorad Dodik, den serbischen Vertreter in der bosnischen Staatsführung, ist sie gar „zynisch“. Das offizielle Belgrad enthielt sich jeden Kommentars.
~ WEB http://www.unmict.org/en ~ APA198 2019-03-21/11:41