Syriza-Professor: Neoliberale Sparpolitik hat versagt
Wien (APA) - Für Costas Douzinas, Rechtsprofessor und Abgeordneter der griechischen sozialistischen Regierungspartei Syriza, ist der Neolibe...
Wien (APA) - Für Costas Douzinas, Rechtsprofessor und Abgeordneter der griechischen sozialistischen Regierungspartei Syriza, ist der Neoliberalismus am Ende. „Politisch hat der Neoliberalismus mit seiner finanzpolitischen Strangulierung versagt“, sagte er am Samstag anlässlich der Präsentation seines Buches „Syriza in Power“ im APA-Interview in Wien.
Die griechische Schuldenkrise sei ein „Symptom eines problematischen ökonomischen Systems“ gewesen. Die von der EU auferlegte Sparpolitik habe jedoch „kein Wachstum“ gebracht. „Wir sind in einer Situation, in der sich das alte globalisierte neoliberale System und die Sicherheit, die durch die USA garantiert wurde, stufenweise verabschiedet“, erklärte der Professor. Dieser Rückgang unterstütze die Forderung, „zum Nationalstaat, zu Grenzen und nationaler Unversehrtheit zurückzukehren“. „Ökonomisch ist es eine alberne Idee, wie die Briten gerade zu ihrem Leidwesen herausfinden, sich durch eine Abstimmung der Weltordnung zu entziehen“, analysierte er. „Das Alte ist noch nicht gestorben, das Neue noch nicht geboren - wir leben, um (den italienischen Kommunistenführer) Antonio Gramsci zu zitieren, im Zeitalter der Monster“, so Douzinas.
Laut dem Abgeordneten ist die EU-Sparpolitik in Griechenland jedoch kein Hauptthema für die EU-Wahl, obwohl sie für das Hauptthema, den wachsenden Nationalismus, mitverantwortlich sei. „Die EU wurde auf zwei großen Prinzipien gegründet: Wohlstand durch Solidarität und die Verhinderung nationalistischer Tendenzen und Kriege“, erläuterte er. Diese seien in den vergangenen „20 bis 25 Jahren stark hinterfragt worden“. „Die EU zeigte unter deutscher Führung ein striktes Bekenntnis für Sanktionen und Bestrafung der südlichen Mitgliedsländer. Dabei wurde vergessen, dass die EU genau diese interethnischen Spannungen verhindern sollte“, betonte er. Zudem sei die Verbindung zwischen Kapitalismus und Demokratie, die als „Motor für die Verteilung des europäischen Wohlstandes“ dienten, entzweit worden. „Mit der Flüchtlingskrise und dem Brexit hat sich die soziale Unruhe, der Ärger und die Empörung in ganz Europa entladen, weil die Menschen sich von ihren Regierungen alleingelassen fühlten. Dieser Boden wurde durch die Sparpolitik der regierenden Eliten bereitet“, ist Douzinas überzeugt.
Für den Forscher taumelt die EU im Fall einer Fortsetzung des Rechtsrucks in eine „existenzielle Krise“. „Dies würde substanzielle Änderungen mit sich bringen, die sich von den Prinzipien der EU entfernen“, unterstrich er. „Ich befürchte, dass die Menschen sich zunächst als Mitglied ihrer Nation sehen und nicht als Europäer und sich die Geister der Vergangenheit wieder erheben“, fuhr er fort. Ein „paneuropäischer Versuch, zusammenzuarbeiten und die europäischen Prinzipien wieder zu stärken“, sei „extrem wichtig“. „Ich bin sehr traurig, dass die Regierungen in Österreich und Italien nicht erkennen, dass die EU-Mittelmeerstaaten als Ausgangspunkt der europäischen Werte nicht dazu bereit sind, das Leiden von Menschen, die im Meer ertrinken, zu ignorieren“, kritisierte Douzinas. „Das ist eine Schande für die Zivilisation“, sagte er.
Die im Jänner erzielte Einigung im Namensstreit zwischen Griechenland und Nordmazedonien, an deren Ausarbeitung der Professor als Vorsitzender des Komitees für Verteidigung und Außenpolitik mitbeteiligt war, gebe jedoch Hoffnung. Die Einigung wurde laut Douzinas aus drei Gründen erzielt: „Das Abkommen verkörpert die Ideale der demokratischen Linken, die sich gegen Nationalismus richten, der auf dem Balkan bis vor 30 Jahren Krieg bedeutet hat“, erklärte er. „Die Einigung ist eine Botschaft an den restlichen Balkan, auf dem der Nationalismus erstarkt und die Spannungen zurückkehren“, fuhr er fort. Griechenland setze sich hingegen für „einen multikulturellen, multiethnischen und multireligiösen Balkan“ ein und wirke einem „europäischen Trend“ entgegen.
Zudem stärke das Abkommen die Position Griechenlands auf dem Balkan, dessen Bruttoinlandsprodukt nach der Krise so groß sei wie das der anderen Nicht-EU-Balkanstaaten. „Die stabileren Beziehungen bringen Griechenland dadurch naturgemäß eine Führungsrolle in der Region“, erklärte der Professor. Griechenland könne nun als EU- und NATO-Mitglied Nordmazedonien bei den jeweiligen Beitrittbemühungen helfen. Letztendlich sei es auch ein symbolischer Akt gewesen: „Das war ein Akt der politischen Führung, der als Erbe der ersten linksradikalen Regierung in Europa als Versuch anerkannt werden könnte, das Klima des Nationalismus, der Fremdenfeindlichkeit zu durchbrechen“, schlussfolgerte er.
(Das Interview führte Martin Auernheimer/APA)