Brexit - Britischer Botschafter erwartet keinen „No Deal“-Austritt
Wien (APA) - Der britische Botschafter in Österreich, Leigh Turner, erwartet nach der Entscheidung in Brüssel zur Verlängerung der Brexit-Fr...
Wien (APA) - Der britische Botschafter in Österreich, Leigh Turner, erwartet nach der Entscheidung in Brüssel zur Verlängerung der Brexit-Frist keinen ungeregelten Austritt seines Landes aus der EU. „Es kann nicht ausgeschlossen werden, aber ich erwarte das nicht“, sagte der Diplomat Ende der Woche im Gespräch mit der APA.
„Wir hoffen, dass es nächste Woche zu einem Deal kommt“, hielt Turner im Hinblick auf das geplante Votum im britischen Unterhaus über das von London und den EU-27 ausverhandelte Austrittsabkommen fest. „Wenn nicht, wird Großbritannien schnell entscheiden müssen, wie es weitergeht.“
Die Möglichkeit eines „No Deal“ sei „nicht völlig vom Tisch“ und „wir müssen noch darauf vorbereitet sein“. Allerdings wollten beide Seiten nicht, dass es dazu komme: „Das will Österreich nicht, das wollen die 27 nicht, und das will Großbritannien auch nicht.“ Turner brachte in diesem Zusammenhang auch Dank für die Position Österreichs zum Ausdruck, das „sehr klar gesagt“ habe, dass es „einen ‚No Deal‘ vermeiden“ wolle und sich auch „sehr konstruktiv engagiert“ habe, „um alles zu tun, damit es zu einem Deal kommt“.
Klarheit würde der Deal auch für die rund 10.600 britischen Staatsbürger bringen, die in Österreich leben und sich mit ihren Fragen im Hinblick auf die möglichen Folgen des Brexit auch immer wieder an ihre Botschaft wenden. „Wenn der Deal nächste Woche durchgeht, heißt das, dass die Rechte der britischen Bürgerinnen und Bürger in Österreich von dem Austrittsabkommen geregelt sind, das heißt, sie können weiterhin in Österreich leben, arbeiten, in der Rente sein, studieren“ wie bisher, erläuterte Turner. „Ihre Rechte werden sehr ähnlich sein, wie sie jetzt sind, sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.“
Bis Ende Dezember 2020 bliebe in dem Fall „alles genauso, wie es ist“, aber auch danach könnten Briten in Österreich - und umgekehrt auch Österreicher in Großbritannien - bleiben, „unter denselben Bedingungen, mit ein paar anderen Formalitäten, aber man wird viel Zeit haben, um sich dafür zu bewerben“.
Wenn es hingegen zu einem ungeregelten Brexit käme, „dann hat die österreichische Regierung ein Begleitgesetz vereinbart, was die Rechte der Briten in Österreich angeht“. Dieses Gesetz ermögliche es britischen Staatsbürgern, „hier zu bleiben und in vielen Hinsichten die gleichen Rechte zu haben wie früher. Aber in gewissen Bereichen werden ihre Rechte ein bisschen weniger sein, als sie jetzt sind“ - hier sei man auch in Kontakt mit den österreichischen Behörden, weil es noch Detailfragen gebe. „Aber das ist im Fall von einem ‚No Deal‘-Brexit, was niemand will.“
Österreichische Staatsbürger in Großbritannien bekämen bei einem ungeregelten EU-Austritt hingegen genau dieselben Rechte wie bei einem Deal, sagte Turner. Es gebe ungefähr 3,5 Millionen Bürger anderer EU-Staaten in Großbritannien, „und davon ungefähr 25.000 Österreicher, und im Fall von einem ‚No Deal‘-Brexit bekommen sie genau dieselben Rechte wie bei einem Austrittsabkommen“.
Die Anfragen der Auslandsbriten in der Botschaft in Wien haben laut Turner mit zunehmender Nähe des eigentlichen Austrittsstichtags 29. März ein bisschen zugenommen, aber nicht dramatisch. Fragen würden beispielsweise zum Thema Krankenversicherung oder zu möglichen Sprachtests gestellt.
„Wir haben zwei Runden von Roadshows gemacht, wir sind in jedem Bundesland gewesen“, auch in Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden, um die in Österreich lebenden Briten zu informieren, erzählte der Botschafter. „Und wir haben immer gesagt, sie sollen drei Sachen tun: ihre Papiere in Ordnung bringen, damit die österreichischen Behörden wissen, dass sie hier in Österreich sind und das Recht haben, hier zu leben.“ Zweitens, sich über die Kanäle der Botschaft informieren - so könne man sich etwa für regelmäßige Brexit-Updates registrieren lassen. „Und die dritte Sache ist, wir sagen den Leuten, sie sollen in Kontakt miteinander bleiben“, um Erfahrung und Wissen auszutauschen, auch via Organisationen für Briten in Österreich.
Egal, wie die Brexit-Frage letztlich ausgeht - Turner hofft weiterhin auf enge Beziehungen zwischen den beiden Ländern, etwa im wirtschaftlichen Bereich. „Wir haben 250 österreichische Firmen, die in Großbritannien mehr als 40.000 Arbeitsplätze geschaffen haben.“ Allein im Vorjahr seien 74 neue Projekte vorgeschlagen worden „für neue Investitionen von österreichischen Firmen in Großbritannien“.
Auch in vielen anderen Bereichen wolle Großbritannien weiterhin mit Österreich zusammenarbeiten - in der Außenpolitik gebe es etwa eine enge Kooperation in Sachen Westbalkan, sagte Turner. Und: „Wir haben eine wichtige nachrichtendienstliche Zusammenarbeit, wir arbeiten in Sachen Verteidigung zusammen, und Großbritannien hat zum Beispiel im Bereich Kriminalitätsbekämpfung sehr viel anzubieten, weil unsere Dienste sehr gut sind, und wir wollen weiterhin unsere Informationen mit Österreich austauschen können.“
Im Bildungsbereich gebe es viele Kontakte zwischen österreichischen und britischen Universitäten. „Wir hoffen auch, dass österreichische Studenten, die sehr gern in Großbritannien studieren, weiterhin in Großbritannien studieren werden. Im Jahrgang 2019/2020 können sie sich weiterhin zu denselben Bedingungen wie früher bewerben - jetzt ist die Zeit. Seien Sie willkommen bei uns.“
(Das Gespräch führte Alexandra Angell/APA)