Neuer Lehrstuhl für Leistungselektronik an der Uni Innsbruck
Die Infineon, weltweit führender Chiphersteller, investiert 1,5 Millionen Euro in eine Stiftungsprofessur für Leistungselektronik an der Uni Innsbruck. Leiten wird den neuen Lehrstuhl Petar Grbović, ein international bekannter Experte auf dem Gebiet der Leistungselektronik
Die Infineon Technologies Austria AG investiert 1,5 Millionen Euro in die Kooperation mit der Fakultät für Technische Wissenschaften der Universität Innsbruck. Die inhaltlichen Schwerpunkte der neuen Professur sind im wesentlichen Forschungs- und Entwicklungsfelder des Bereichs Leistungselektronik. Diese findet vielfältige Anwendung, so zum Beispiel in Beleuchtungslösungen, im Antriebsstrang von Autos, bei der Motorsteuerung von Zügen oder bei der Stromversorgung von Servern, Notebooks, Smartphones, Tablets, Unterhaltungselektronik und Mobilfunk-Infrastruktur. „Wo der Energiefluss ohne nennenswerte Verluste gesteuert werden soll, wird Leistungselektronik eingesetzt. Es wäre sehr schwierig, sich das heutige Leben ohne Leistungselektronik vorzustellen", betont Petar Grbovic im TT-Interview.
„Mit der Universität Innsbruck haben wir einen idealen Partner mit internationaler Reputation, hervorragenden Leistungen in der Grundlagenforschung und einem guten Verständnis für die Bedürfnisse der Industrie gefunden", erkärte Infineon-Austria-Vorstandsvorsitzende Sabine Herlitschka und betonte das Interesse von Infineon an einer nachhaltigen Etablierung einer hochwertigen Elektrotechnik- und Leistungselektronik-Ausbildung an der Universität.
Auch Uni-Rektor Tilmann Märk zeigt sich zufrieden. „Wir haben in den letzten zehn Jahren den Fachbereich Mechatronik an unserer Universität kontinuierlich aufgebaut und konnten in diesem Jahr erstmals das neue Studium für Elektrotechnik anbieten", so Märk. Mit Unterstützung von Infineon könne die Universität Innsbruck die praxisorientierte Forschung und Lehre in diesem Bereich erweitern und die Ausbildung von technischen Fachkräften weiter ausbauen. (hu)
Was ist eigentlich Leistungselektronik im speziellen?Petar Grbovic: Leistungselektronik ist zu aller erst eine Ingeneur-Disziplin. Sie ist ein Teilgebiet der Elektrotechnik, das sich mit der Umformung elektrischer Energie mit schaltenden elektronischen Bauelementen beschäftigt und dies ohne Verlust von Energie. Ein Beispiel ist das elektrische Licht, wo ein Teil der eingesetzten Energie in Wärme umgesetzt wird. Wir arbeiten also an mit schaltenden elektronischen Bauelementen, die den Verlust von Energie verhindern sollen. In den meisten Geräten die wir heute verwenden sind solche Bauelemente eingebaut, zum Beispiel in Autos, Zügen, Waschmaschinen, Mixern oder auch in jedem Smartphone. In den meisten Anwendungen sind wir heute — im Gegensatz zu früher — bei 99 Prozent. Das heißt so gut wie die ganze eingesetzte Energie kommt auch dort an, wo sie benötigt wird.
Wie erreichen sie dies bzw. was ist technisch der Unterschied zu früher?
Grbovic: Heute verwenden wir „Schalter", grundsätzlich ein Chip, die in kurzer Abfolge ein und auch wieder ausschalten, so dass nur ein Energiefluss stattfindet, wenn er wirklich gebraucht wird. Dadurch können wir den Verlust auf ein ganz geringes Maß reduzieren. Dazu gibt es noch ein weiteres Bauteil und zwar einen Filter, also einen passiven Teil, der dazu beiträgt, dass der Strom gleichmäßig ohne Verluste fließen kann. Alle modernen Stromwandler arbeiten nach diesem On-Off-Prinzip. All das ist an sich nicht neu. Das wissen wir schon sehr lange. Schon Tesla, oder noch früher Hertz wussten dies. Sie verwendeten allerdings mechanische Relais.
Wo liegt ihr Fokus im Bereich der Forschung?
Grbovic: Grundlegend geht es in unserem neuen Labor um die weitere Steigerung der Effezienz dieser Stromwandler. Aber rund um diesen Kern, forschen wir auch an der Entwicklung neuer Anwendung für diese Technologie. Besonders wichtig für die Zukunft ist der Bereich Robotik. So was benötigen wir für diese Roboter. Es ist nicht genug kraftvolle Prozessoren zu haben, wir müssen die Energie, die ein solcher Roboter braucht auch gezielt aber effizient einsetzen können. Und vor allem muss ein Roboter ja autonom sein, wir können ihn nicht permanent an einer Steckdose anhängen. Also brauchen wir Batterien. Und um diese effizient nutzen zu können brauchen wir eben „Leistungselektronik".
Sie arbeiten eng mit Infinion zusammen. Was erwarten Sie sich davon?
Grbovic: Infinion ist ein absolutes Top-Unternehmen im Bereich von Leistungselektronik. Und damit ist Infineon der ideale Partner, wenn es darum geht, neue Ideen bzw. Entwicklungen zu testen, um zu sehen, was damit alles möglich ist, um bestehende Hürden zu überwinden und bessere, leistungsfähigere und effizientere Maschine jedweglicher Art zu entwickeln. Wir können aber die Bauteile, die wir entwickeln nicht einfach so zusammen bauen. Wir brauchen dahinter eine gewisse Schaltungstopologie, wie wir solche Bauteile verbinden können.
Und hier gibt es eine Menge offene Fragen. Grundsätzlich gehe ich nicht davon aus, dass wir eine völlig neue Schaltungstopologie finden. Es geht viel mehr darum, wie wir bestehende auf eine neue Art verwenden bzw. neue Perspektive finden können. Dies vor allem auch in Hinsicht auf die Größe bzw. das Gewicht dieser Bauteile, die naturgemäß in vielen Bereichen sehr klein sein muss.
Sie haben in einem Interview einmal von plug&play, Diagnostik und Selbstheilung gesprochen. Wie ist das zu verstehen?
Grbovic: Wir haben heute Stromwandler. Und wenn wir komplexe Stromwandler haben brauchen wir Experten, die diese zum Laufen bringen und am Laufen halten. In Zukunft wird es so sein, oder sollte es so sein, dass der Konverter einfach ist und von Jedem gestartet werden kann. Und dann wird es notwendig sein, dass dieses Bauteil sich selber „tuned", also seine Aufgabe selbstständig definiert und auch lernt um besser zu werden. Ein weiterer Aspekt ist Diagnostik und Selbstheilung. Nehmen wir an, wir haben ein System das bereits arbeitet, wie zum Beispiel das Energiesystem in einem Krankenhaus. Wenn hier etwas schief geht, können unter Umständen auch Patienten sterben. Wenn ich nun aber von meinem System früh genug gewarnt werden, dass es ein Problem geben könnte, kann ich die notwendigen Maßnahmen treffen. Man kann sich das so vorstellen, dass das System mir sagt, ich fühle mich nicht wohl, spätestens morgen Früh bin ich krank, bitte hilf mir. Ob der dritte Punkt — die Selbstheilung — möglich ist und wenn ja, wie lange es noch dauert dort hinzukommen, weiß ich nicht. Das ist derzeit noch reine Sience Fiction.
Wie wird die Zusammenarbeit mit Infineon konkret aussehen?
Grbovic:Zum einen wird es sicher so sein, dass Infineon Bauteile bzw. Baugruppen in unser neues Labor schickt um diese zu testen. Von uns bekommt das Unternehmen wiederum ein Feedback, wie gut das Bauteil funktioniert und was man verbessern könnte. Eine weitere Aufgabe wird sein gemeinsam mit Infineon mögliche Zukunftsszenarien zu erkennen bzw. an der weltweiten Entwicklung in unserem Bereich auch teilzuhaben. Es geht aber auch darum, dass wir mögliche neue Entwicklungen bereitstellen und dann Infineon fragen, ob sie darin ein Potential erkennen können bzw. ob es möglich wäre davon einen Prototypen zu entwickeln.
Sie haben ein Ziel definiert. Wie weit sind wir global gesehen von diesem Ziel entfernt.
Grbovic: Unser Ziel ist es zuerst einmal in den nächsten fünf Jahren unser Labor auf der internationalen Bühne bekannt zu machen, zu etablieren. Generell ist es so dass, „Leistungselektronik" aus dem Ingenieurswesen kommt. Das heißt in Sachen Grundlagenforschung hinken wir sicher hinter anderen Wissenschaften her.
Aber betrachtet man sich zum Beispiel den Nobelpreis für das CERN für die Entdeckung des Higgs Boson, dann wird man feststellen ohne moderne Leistungselektronik funktioniert kein Teilchenbeschleuniger. Für mich ist Leistungselektronik auf jeden Fall auch Wissenschaft, in diesem Kontext aber keine Wissenschaft in der Grundlagenforschung.
Das Interview führte
Hugo Müllner