Zwischen Hoffen und Bangen: Deutschland und die Wahl in Israel
Berlin/Jerusalem (APA/dpa) - Bleibt der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu nach zehn Jahren weiter an der Macht? Oder wird der...
Berlin/Jerusalem (APA/dpa) - Bleibt der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu nach zehn Jahren weiter an der Macht? Oder wird der rechtskonservative Freund des US-Präsidenten Donald Trump durch das liberalere Bündnis Blau-Weiß von Ex-Generalstabschef Benny Gantz und dem früheren Finanzminister Yair Lapid abgelöst?
Israel steht mal wieder am Scheideweg und der Ausgang der Parlamentswahl am Dienstag könnte auch Auswirkungen auf die deutsch-israelischen Beziehungen haben. Das Verhältnis beider Länder ist in den letzten Jahren unter Netanyahu abgekühlt.
Hauptgrund ist der Ausbau israelischer Siedlungen im Westjordanland, den Netanyahu vorangetrieben hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat deswegen sogar vorletztes Jahr die deutsch-israelischen Regierungskonsultationen verschoben.
Am Wochenende, zum Wahlkampfendspurt, wartete der Parteichef des rechtskonservativen Likud nun mit einer weiteren provokanten Forderung auf: In einem deutlichen Rechtsruck stellte Netanyahu in einem Fernsehinterview die Annektierung israelischer Siedlungen im Westjordanland in Aussicht. „Ich werde nicht eine einzige Siedlung räumen“, sagte der 69-Jährige.
Sollte Netanyahu siegen und mit Rückendeckung der USA versuchen, nach dem Erfolg mit den Golanhöhen auch Teile des Westjordanlands Israel anzugliedern, sei mit „weiteren Verstimmungen mit Deutschland“ zu rechnen, warnt der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Shimon Stein. Trump hatte die von Israel annektierten Golanhöhen im März im Alleingang formell als Staatsgebiet Israels anerkannt und damit eine Kehrtwende in der US-Außenpolitik vollzogen.
Stein hält allerdings einen Kurswechsel für möglich, sollte Gantz die neue Regierung bilden. „Bisher deckt Gantz nicht auf, was er über viele Dinge denkt, die großen Fragen bleiben offen“, sagt Stein. „Sollte er aber zu einer neuen Einstellung zu diesen Themen kommen, würde sich das wohl positiv auf die Beziehungen mit Deutschland auswirken.“
Die Korruptionsvorwürfe gegen Netanyahu werden nach Ansicht Steins die Beziehungen zu Deutschland nicht zusätzlich beeinträchtigen, sollte er die Wahl gewinnen. Deutschland werde mit Netanyahu Beziehungen unterhalten, „solange er gewählter Ministerpräsident Israels ist“, sagt er.
Adi Kantor ist Expertin für israelisch-europäische Beziehungen am Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv, vertritt aber in diesem Fall ihre eigene Position. Sie sieht Israel vor einer Schicksalswahl. Israel müsse entscheiden, „ob es weiter in eine populistische, rechte Richtung gehen will oder ob wir eine Gesellschaft sind, die auf demokratischen, liberalen Werten basiert“.
Im Fall eines Wahlsiegs des Netanyahu-Lagers erwarte sie eine weitere Radikalisierung und eine engere Zusammenarbeit mit rechtspopulistischen Parteien in Europa wie der Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban.
Falls das Bündnis Blau-Weiß eine Mehrheit bekommen sollte, würde dagegen ein Lager die Regierung übernehmen, „das für Veränderungen steht, im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sicherheitspolitischen Bereich“, sagt Kantor. Dann sei auch in Israels Außenpolitik mit einer Veränderung zu rechnen.
Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff geht aber nicht von einer radikalen außenpolitischen Wende aus. Auch für Gantz werde ein „Imperativ“ alles andere überragen: Die Sicherheit des Staates Israel. „Es wäre falsch, zu glauben, dass eine Mitte-Links-Regierung in ihrem Streben nach Sicherheit für die Menschen in Israel weniger konsequent wäre als Netanyahu“, sagt Lambsdorff, der Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe im Bundestag ist. „Mit anderen Worten: Mit jedem Premierminister, der aus dieser Wahl hervorgeht, werden wir enge Beziehungen unterhalten. Aber wir werden auch mit jedem Premierminister an der einen oder anderen Stelle Diskussionen über den besten Weg zum Frieden im Nahen Osten haben.“
Lambsdorff geht aber davon aus, dass Gantz und Lapid gegenüber Europa eine neue Aufgeschlossenheit zeigen würden. Einen Vorgeschmack gab es schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar: Gantz kam zu dem wichtigen Expertentreffen. Netanyahu sagte seine Teilnahme dagegen kurzfristig ab.