Musik

„Het Collectief“: Feines Gespür für Musik und die Zeichen der Zeit

Verdienter Beifall am Ende eines stimmungsvollen Abends. Das „Het Collectief“ mit Sopranistin Katharine Dain (Bildmitte) und Dirigent Reinbert de Leeuw (3. von rechts).
© Victor Malyshev

Mit österreichischen Komponisten aus dem frühen 20. Jahrhundert startete das Osterfestival Tirol in seine 31. Auflage.

Hall –Unerhört. So klang Musik der „Zweiten Wiener Schule“ bei ihrem Entstehen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in manch einem konservativen Ohr. Gängige Dur-Moll-Schemata wurden durchbrochen zugunsten maximaler künstlerischer Freiheit und im Widerspruch zum Goût der Zeit. Heute, 100 Jahre später, kommen Werke von Alban Berg, Arnold Schönberg, Alexander Zemlinsky oder Anton Webern immer noch erstaunlich modern herüber. Mit ihrer Pionierarbeit ebnete die Wiener Schule nachfolgenden Generationen den Weg.

Das Osterfestival Tirol widmete sein Eröffnungskonzert am Samstag im Haller Salzlager den großen österreichischen Komponisten aus der Vor- und Zwischenkriegszeit. Auf Erden war ihnen kein dauerhaftes Glück beschieden. Schönberg und Zemlinsky flüchteten vor den Nazis in die USA. Webern wurde, mittellos und gebrochen, 1945 versehentlich von einem US-Soldaten erschossen. Und Alban Berg starb schon 1935 an einer Blutvergiftung.

Für das Het Collectief aus Brüssel scheint die Musik der Wiener Schule wie maßgeschneidert. Unter der Leitung von Reinbert de Leeuw gestalteten diese zehn Ausnahmekönner im Kollektiv eine eindrucksvolle, berührende Klangkulisse. Feinste Zwischentöne und filigrane Soli fanden viel Raum, ehe manch furiose Finalpartie die leidenschaftlichen Interpreten förmlich vom Sessel riss.

Sehr präsent und selbstbewusst, in manchen Passagen vielleicht zu stimmgewaltig, brachte die opernerprobte Katharine Dain ihren schönen Sopran zum Einsatz. Sie war kurzfristig für die erkrankte Katrien Baerts eingesprungen und interpretierte Lieder Bergs und Zemlinskys. Lieder getränkt in Sehnsucht und Schmerz, Trauer und Abschied. Die Liedverfasser dürften gespürt haben, welche Katastrophen auf die Welt im 20. Jahrhundert noch zukommen würden. (mark)

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