Sieben Tage Außenpolitik - Die Woche 08.04 bis 14.04.

Wien (APA) - In der - zumindest bisher - unendlich erscheinenden Geschichte des Brexit bringt die kommende Woche einen weiteren Stichtag: Bi...

Wien (APA) - In der - zumindest bisher - unendlich erscheinenden Geschichte des Brexit bringt die kommende Woche einen weiteren Stichtag: Bis zum Freitag (12.4.) will die EU-Kommission einen Londoner Parlamentsbeschluss für den EU-Austrittsvertrag sehen, um einer weiteren Verschiebung des Austritts bis 22. Mai zuzustimmen. Gleichzeitig muss sich Großbritannien bis zu diesem Tag entscheiden, ob das Land an den am 23. Mai beginnenden EU-Wahlen teilnimmt, was die Regierung von Theresa May mit allen Mitteln verhindern will.

Die britische Premierministerin Theresa May beantragte am Freitag bei EU-Ratspräsident Donald Tusk offiziell eine Verschiebung des Brexit bis zum 30. Juni. Ob sie die bekommt, ist unklar. Die EU-27 kommen am Mittwoch zu einem Sondergipfel zusammen, um darüber zu beraten. Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) betonte am Sonntag in der ORF-“Pressestunde“, für den EU-Gipfel am Mittwoch brauche es neue Inhalte vonseiten der Briten. In ihrer Not hat sich May diese Woche dazu durchgerungen, mit Labour-Chef Jeremy Corbyn Gespräche über eine Kompromissvariante, will heißen einen „weicheren Brexit“, aufzunehmen, den die Opposition mittragen könnte. „Je länger es dauere, eine Lösung zu finden, desto größer sei das Risiko, dass Großbritannien die EU überhaupt nicht mehr verlasse“, warnte die Regierungschefin am Samstag.

Gleichzeitig entfremdet sie mit dem Zugehen auf Labour aber immer mehr „Hard Brexiteers“ in ihren eigenen Reihen, was mittlerweile sogar eine Spaltung der Tories möglich erscheinen lässt. Parallel dazu entwindet das Parlament May schrittweise die Kontrolle über die weitere Vorgangsweise: Ein im Eiltempo durch das Unterhaus gepeitschtes Gesetz, das die Regierung zu einem weiteren Brexit-Aufschub verpflichtet, hat dort eine - äußerst knappe - überparteiliche Mehrheit gefunden. Sollte es auch vom Oberhaus abgesegnet werden, könnten die Abgeordneten einen längeren Brexit-Aufschub mit Teilnahme an der Europawahl gegen den Willen der Regierung anordnen.

Am Montag will Italiens Innenminister Matteo Salvini in Mailand unter dem Motto „In Richtung eines Europas der Vernunft“ jene Allianz von rund 20 rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen vorstellen, mit denen seine rechte Lega in den Wahlkampf für die EU-Parlamentswahlen ziehen will. Die FPÖ wird in Mailand nicht mit von der Partie, aber „selbstverständlich Teil dieser Allianz sein“, wie ein Parteisprecher bekräftigte. Der Plan der Rechten ist es, nach der EU-Wahl am 26. Mai aus den derzeit drei EU-kritischen Fraktionen im Europaparlament eine gemeinsame zu formieren und damit zweitstärkste Kraft zu werden.

In Israel wird am Dienstag ein neues Parlament gewählt. Dabei geht es nicht nur um die 120 Sitze in der Knesset, sondern auch um das politische Schicksal von Langzeit-Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Er will sich mit einer weiteren Amtszeit für ein Korruptionsverfahren rüsten, das ihn ins Gefängnis bringen könnten. Während Netanyahu auch von rechts neue radikale Kräfte zusetzen, hat sich vor allem in der Mitte eine Oppositionsallianz unter der Führung des angesehenen ehemaligen Generalstabschefs Benny Gantz gegen ihn formiert. In den Umfragen liefert sich das Bündnis ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Netanyahus Likud.

Ebenfalls am Dienstag kommen in Brüssel die Spitzen von EU und China zusammen, um einmal mehr zu versuchen, ihre wirtschaftspolitischen Differenzen auszuräumen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk wollen dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang dabei Zugeständnisse zur Marktöffnung entlocken. Die Europäer sind unzufrieden darüber, dass ausländische Firmen in China mit Einschränkungen zu kämpfen haben, während chinesische Unternehmen von der Offenheit der Europäischen Union profitierten. Auf eine gemeinsame Abschlusserklärung konnten sich die EU und China im Vorfeld nicht einigen. Der Text sei für die EU „nicht zustimmungsfähig“ gewesen, dazu habe es auf europäischer Seite „klaren Konsens“ gegeben, hieß es am Freitag in Ratskreisen in Brüssel.

Gut drei Monate nach dem Ende der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft wird am Montag Wien wieder zur EU-Drehscheibe, wenn rund 50 Parlamentspräsidenten aus den EU-Staaten zu einer Konferenz zusammenkommen. Sie wollen über die europäische Nachbarschaftspolitik und die bevorstehenden Europawahlen beraten, doch dürfte der Brexit wohl auch auf der Agenda der zweitägigen Zusammenkunft stehen, zu der unter anderem der Präsident des Deutschen Bundestags, Wolfgang Schäuble, erwartet wird.

Am Donnerstag beginnt in Ankara der Prozess gegen den österreichische Studenten und freien Journalisten Max Zirngast. Der im vergangenen September inhaftierte und erst zu Weihnachten unter Auflagen auf freien Fuß gesetzte Zirngast muss sich wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vor Gericht verantworten. Ein Vorwurf, den er stets vehement zurückgewiesen hat - wie die unzähligen anderen türkischen und ausländischen Journalisten, die seit dem Putschversuch im Juli 2016 unter Terrorverdacht festgenommen oder ausgewiesen wurden.

Eng könnte es in Venezuela für den selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó werden, nachdem ihm die von Präsident Nicolas Maduros regierenden Sozialisten kontrollierte Verfassungsgebende Versammlung die parlamentarische Immunität entzogen hat. Nachdem gegen ihn bereits ein Verfahren wegen Amtsanmaßung läuft, könnte Guaidó, der bereits von Dutzenden Staaten weltweit als Staatsoberhaupt Venezuelas anerkannt wird, jederzeit verhaftet werden. Die EU-Kommission hat dagegen bereits offiziell Protest eingelegt. Guaidó rief indes seine Anhänger auf, nächste Woche in noch größerer Zahl als bisher auf die Straßen zu strömen. Er kündigte auch eine internationale Konferenz in Venezuela an, um Wege aus der politischen und sozialen Krise zu weisen.

Auch in Algerien wird in der kommenden Woche weiter um die Macht gerungen werden. Der altersschwache Präsident Abdelaziz Bouteflika hatte am Dienstagabend nach wochenlangen Protesten offiziell seinen Rücktritt eingereicht. Laut Verfassung übernimmt zunächst Abdelkader Bensalah, der Chef des Oberhauses und ein alter Weggefährte Bouteflikas, für maximal 90 Tage das höchste Amt und muss während dieser Zeit eine Neuwahl organisieren. Die Demonstranten und die Opposition fordern jedoch weiterreichende Maßnahmen, die auch die seit Jahrzehnten herrschende Elite hinter Bouteflika entmachten sollen. Am Sonntag positionierte sich die Zeitung „El Moudjahid“, Sprachrohr der Regierung, jedoch in einem Leitartikel gegen den in der Bevölkerung umstrittenen Bensalah. Der Leitartikel spricht sich dafür aus, Bensalah als Nationalratsvorsitzenden abzusetzen. Damit wäre er dann auch nicht mehr der naheliegende Interimspräsident.

Zum Wochenende wird dann auch in Finnland ein neues Parlament gewählt, und auch dort attestieren Meinungsforscher den gemäßigten Linksparteien Aufwind. Die Regierung von Ministerpräsident Juha Sipilä war vor rund vier Wochen wegen des Scheiterns einer Gesundheits- und Sozialreform zurückgetreten. In den Umfragen liegt Sipiläs Zentrumspartei jetzt deutlich hinter den oppositionellen Sozialdemokraten.