Neue österreichische Graphic Novels über die NS-Zeit: Täter und Opfer
Wien (APA) - Zwei neue Graphic Novels aus Österreich beschäftigen sich mit der NS-Zeit. „Persmanhof 25. April 1945“ von Evelyn Steinthaler u...
Wien (APA) - Zwei neue Graphic Novels aus Österreich beschäftigen sich mit der NS-Zeit. „Persmanhof 25. April 1945“ von Evelyn Steinthaler und Verena Loisel schildert das von einer SS- und Polizei-Einheit auf einem Kärntner Bauernhof verübte Massaker an einer slowenischsprachigen Familie, die die Partisanen unterstützte. „Insekten“ von Regina Hofer und Leopold Maurer widmet sich dagegen der Täterperspektive.
Der Persmanhof in der Nähe von Eisenkappel war Schauplatz eines NS-Verbrechens, bei dem elf Angehörige der Familien Sadovnik und Kogoj (darunter sieben Kinder) ermordet wurden. Aus der Sicht der Hoftochter Ana Marija Sadovnik (genannt Anci), die als 13-Jährige das Massaker überlebte, erzählen die Autorin Evelyn Steinthaler und die Illustratorin Verena Loisel den damaligen Tag nach. Dabei verblüfft die Offenheit, mit der sich eine Hundertschaft von Partisanen damals in dem Gebiet bewegte und auch ganz selbstverständlich von den Bauern unterstützt wurde - diese Begleitumstände legten nahe, „dass der Hof den PartisanInnen bereits als befreites Gebiet gilt, wo man sich sicher fühlt“, heißt es in einem Epilog der Historikerin Lisa Rettl, die auch hervorhebt, dass derlei Gewalt-Exzesse in den letzten Kriegstagen immer wieder vorkamen und häufig nach Kriegsende versucht wurde, „die begangenen Verbrechen zu leugnen, zu verschweigen, zu verdrängen oder zu relativieren“.
Dass dies im Falle des Persmanhofs nicht gelang, verdanke sich der 1982 dort errichteten Gedenkstätte, die 2012 als museale Dauerpräsentation neu eröffnet wurde. Den Umstand, dass Ana Sadovnik bis 2001 auf dem Hof wohnen blieb und durch die immer mehr werdenden Besucher ständig an die damaligen schrecklichen Ereignisse erinnert wurde („Das ist das überlebende Kind!“, schallt der alten Frau in der Graphic Novel aus einer Jugendgruppe entgegen), thematisiert das Buch ebenso wie die Schwierigkeit, mit dem Erlebten weiterzuleben. Heute, Montag (18 Uhr) ist im Rahmen eines Vortrages des Wissenschafters Valentin Sima mehr über „Das Persman-Museum - ein Erinnerungsort. Verfolgung und Widerstand der slowenischen Minderheit in Kärnten während der NS-Herrschaft“ zu erfahren (Wien 1, Hanuschgasse 3/ Hof 2/ 1. Stock). In der Arena Bar (Wien 5, Margaretenstraße 117) wird am 19. April (19.30 Uhr) das bereits in die zweite Auflage gegangene Buch erneut vorgestellt.
Inhaltlich wie ästhetisch einen ganz anderen Zugang zur Thematik haben Regina Hofer und Leopold Maurer gewählt. Maurers Großvater hatte sich als Freiwilliger zur Waffen-SS gemeldet, den gesamten Zweiten Weltkrieg mitgemacht und auch danach immer wieder positiv über Adolf Hitler („Ein hochintelligenter Mann!“) und den Nationalsozialismus gesprochen. In „Insekten“ vermischen sich nun mehrere Ebenen zu einem eindrucksvollen grafischen Kunstwerk: die Gespräche Maurers mit seinem Großvater, die starken Kontraste in den Jugenderinnerungen von Enkel und Opa, Krieg und Kriegsverbrechen in der persönlichen Erinnerung des Gesprächspartners und in den historischen Fakten sowie Einschübe, die das historische Geschehen nicht nur mittels der titelgebenden Insekten surreal werden lassen, sondern auch grafisch weit in die Abstraktion treiben.
„Insekten“ schockiert und fasziniert zugleich. Der Versuch, den eigenen Großvater zu verstehen, scheitert, bringt aber eine bittere Erkenntnis: „Es wurde immer gesagt: Der Opa war ja nur Fahrer im Krieg. Ich habe mir vorgestellt: Er fährt Verpflegung an die Front und Verwundete ins Lazarett. Meist weit weg vom Kriegsgeschehen. Ich habe mir vorgestellt: eine Art Schwejk“, heißt es am Ende. „Die Wahrheit ist, dass mein Großvater freiwillig zur Waffen-SS gegangen ist. Aus Überzeugung. (...) Mein Großvater war an Kriegsverbrechen und an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt. Er war an der Zerstörung von Kulturdenkmälern beteiligt und an der Ermordung von Zivilisten.“
Opa nahm mit seiner Einheit an den Massakern von Babyn Jar, Tulle und Oradour-sur-Glane teil. Ihn dennoch als Großvater und nicht als Monster wahrzunehmen, auch für diese Bemühungen versucht diese Graphic Novel Bilder zu finden. Am Ungewöhnlichsten ist jedoch die Weiterverarbeitung einer menschenverachtende Ideologie und ihrer verbrecherischen Folgen in abstrakte Albträume in Schwarz und Weiß. Hier lassen sich die „Insekten“ nicht vertreiben. Hier stechen sie wirklich zu.
(S E R V I C E - „Persmanhof 25. April 1945“ von Evelyn Steinthaler und Verena Loisel, Graphic Novel, bahoe books, 72 Seiten, 14 Euro, ISBN 978-3-903022-85-0; Vortrag „Das Persman-Museum - ein Erinnerungsort. Verfolgung und Widerstand der slowenischen Minderheit in Kärnten während der NS-Herrschaft“, heute, 18 Uhr, Wien 1, Hanuschgasse 3/ Hof 2/ 1. Stock. „Insekten“ von Regina Hofer und Leopold Maurer, Graphic Novel, luftschacht, 240 Seiten, 23,70 Euro, ISBN 978-3-903081-34-5)