Internationale Pressestimmen zur Präsidentenwahl in der Ukraine 2
Kiew (APA/AFP) - „Kölner Stadt-Anzeiger“:...
Kiew (APA/AFP) - „Kölner Stadt-Anzeiger“:
„Den Ausschlag für Selenskyjs Wahl gab die Rolle des integren Staatsmanns, den er im Fernsehen mimt. Die TV-kompatible Darbietung von Macht schien den Ukrainern ein hinreichender Kompetenznachweis fürs höchste Amt im Staate zu sein. Das meinten auch schon die US-Wähler, als sie den TV-Show-Boss Trump zum Präsidenten wählten. Fiktion und Wirklichkeit scheinen zu verschwimmen.“
„Berliner Morgenpost“:
„Wolodymyr Selenskyj war ein begnadeter und ein politischer Clown. Aber in dem Augenblick, in dem der populärste Humorist der Ukraine selbst in die Politik ging, wurde er zwangsläufig Populist. Ein idealer Populist, der nette Kerl von nebenan zwischen lauter Schmiergeld-Paten. Die Ukrainer, die ihn, den Clown, gewählt haben, stimmten dabei vor allem gegen alle anderen. Dabei widersprechen sich die politischen Ansichten seiner Anhänger heftig. In welche Richtung der Präsident Selenskyj sich auch bewegt, jeder seiner Schritte wird seine Popularität schwächen, Anhänger in Gegner verwandeln. Der Staatschef Selenskyj könnte sich schon bald auf die Bühne seiner Comedyshow zurücksehnen. Aber wird dann noch jemand über seine Witze lachen?“
„Diena“ (Riga):
„Die Wahl war nicht so sehr ein Votum für Selenskyj, sondern vielmehr eine Abstimmung gegen den derzeitigen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Wie soziologische Erhebungen zeigen, stimmten rund 60 Prozent derjenigen, die Selenskyj ihre Stimme gaben, auf diese Weise ab. Poroschenko verbinden die Ukrainer mit Korruption, oligarchischer Dominanz, wirtschaftlicher Talfahrt, radikalem Nationalismus und endloser Kriegsführung im Osten des Landes - dies hat sämtliche Errungenschaften des scheidenden Präsidenten vergessen lassen.
In den meisten Fällen ist jedoch unklar, wie Selenskyj mit diesen schmerzhaften Problemen umgehen wird. Während des Wahlkampfs konnte er sich auf allgemeine und vage Versprechen beschränken. Dabei bekam jede Wahlgruppe, jeder Landesteil usw. genau das zu hören, was dessen Menschen hören wollten. Als Präsident muss Selenskyj aber nun seinerseits konkrete Entscheidungen treffen, die den Erwartungen vieler seiner heutigen Anhänger nicht gerecht werden.“
„Sega“ (Sofia):
„Ein weiteres politisches Erbeben in der Ukraine ist Tatsache nach der Stichwahl um das Präsidentenamt. (...) Die Beobachter in Kiew prognostizieren, dass nach Selenskyjs Sieg stürmische Zeiten für die Ukraine kommen werden. Sein Sieg kann das ohnehin zerbrechliche politische System mächtig erschüttern. Es kann zu vorgezogenen Wahlen, zu einer Verfassungsreform mit Umverteilung der Macht und sogar zu neuen Straßenprotesten kommen. Wolodymyr Selenskyj zeigt sich als Befürworter des Weges der Ukraine in Richtung EU, signalisiert aber auch Bereitschaft für Kompromisse mit Russland.“
„Rossijskaja Gaseta“ (Moskau):
„Selenskyj hat sich aufgemacht, um dem Teufelskreis der diebischen Eliten ein Ende zu setzen. Aber er will auch das Wunder vollbringen: eine geeinte politische Nation zu strahlenden Wirtschaftshöhen führen. Doch es bleibt eine Kleinigkeit: Der neue Präsident verkörpert nur diese Erwartungen und die Versprechen auf ein besseres Leben. Aber sie müssen auch umgesetzt werden. Und hier wird das gewählte Staatsoberhaupt der Ukraine und ihre Bevölkerung bald mit der harten Realität konfrontiert werden. Denn diese wurde von Selenskyjs Vorgängern aufgebaut. Ganz zu schweigen von der Finanzwelt und dem politischen System, von denen die Ukraine im ganz großen Ausmaß abhängig ist.“
„Fakt“ (Warschau):
„Das Ergebnis der Wahl in der Ukraine hat nicht nur für dieses Land Bedeutung. Es erinnert die westlichen Staaten daran, warum Demokratie so wichtig ist. Das Recht, nicht geschätzte Staatschefs abzuwählen, ist ein sehr wichtiges Instrument. Wir haben es in unserer Hand. In manchen Ländern fehlt es. Wir sollten es deshalb schätzen.
Freie, ehrliche und offene Wahlen sind auch ein starkes Signal an Russland. So agieren freie Menschen. Die Russen können nur von dem Tag träumen, an dem sie sich der Freiheit erfreuen können. Einer Freiheit, die die heuchlerische Propaganda ihrer politischen Führung so verachtet.“