Familiendrama mit Glitzer gewürzt: Neues Album von Defeater
Wien (APA) - Defeater verfolgen ein klares Konzept: Die US-Hardcore-Band um Sänger und Texter Derek Archambault stellt seit ihren Anfangstag...
Wien (APA) - Defeater verfolgen ein klares Konzept: Die US-Hardcore-Band um Sänger und Texter Derek Archambault stellt seit ihren Anfangstagen die fiktive Geschichte einer zerrütteten Familie in den Fokus ihres Schaffens. Mit dem neuen, selbstbetitelten Album, das am 10. Mai erscheint, geht diese Erzählung weiter. Andere Inhalte kommen nicht infrage, so Archambault: „Nein, niemals!“
Wobei mit dieser Konsequenz einhergeht, dass der smarte Musiker allerlei Themen in dem eng gesteckten Rahmen verhandelt. Zwischenmenschliche Zerwürfnisse, die Schrecken des Krieges, Misshandlungen und Drogenmissbrauch sind nur einige Aspekte, die seit dem Debüt „Travels“ in knackigen Rocksongs untergebracht wurden. Mal wurde aus der Sicht der Söhne, dann des Vaters oder eines Priesters erzählt. Auf „Defeater“ sind es erstmals mehrere Charaktere gleichzeitig, die ins Rampenlicht treten. „Jeder soll sich selbst ein Bild machen“, hielt sich Archambault im APA-Interview über Details aber bedeckt.
Für Fans gebe es jedenfalls viele Anknüpfungspunkte. „Einige Teile beziehen sich auf andere Stücke, es gibt aber auch neue Erzählstränge“, so der Sänger. „Diese Figuren kennt man, sie wurden schon vorgestellt, aber sie standen bisher noch nicht im Fokus. Es ist für mich ein völlig neuer Weg, die Geschichte zu erzählen. Ich spiele auch wieder mit der Zeitebene, wie schon auf ‚Letters Home‘.“ Wer genau hinhört oder in den Texten mitliest, könne auch einige „Easter Eggs“ entdecken, hofft Archambault. „Aber wenn nicht, ist das auch völlig okay.“
Stimmt. Denn wie sich auch beim Konzert des Quintetts am gestrigen Dienstagabend in der Wiener Arena zeigte, haben Defeater eben nicht nur den inhaltlichen Reiz eines großen Überbaus, sondern wissen mit ihren musikalischen Mitteln für maximale Effekte zu sorgen. Da preschte die neue Nummer „Stale Smoke“ aggressiv nach vorne, wurde „Dear Father“ in der dicht gedrängten Halle lauthals mitgeschrien und war die Stimmung beim mächtigen „The Red, White and Blues“ endgültig am Kochen. So war es auch verschmerzbar, dass Archambaults Stimme im druckvollen Mix manchmal etwas unterging.
Dass sich Defeater im Jahr 2019 so überzeugend präsentieren, ist letztlich keine Selbstverständlichkeit. Nach dem Vorgänger „Abandoned“ verließ Gitarrist Jay Maas die Band, der Rest nahm sich eine längere Auszeit. „Wir waren einfach müde. Die Band hat ja bereits viel durchgemacht“, erklärte Jake Woodruff. „Daher hat es ein bisschen gedauert, bis wir uns wieder gefunden haben.“ Gefunden hat man außerdem Adam Crowe, der nun als zweiter Gitarrist neben Woodruff für harte Riffs wie eingängige Melodien zuständig zeichnet. Denn man muss keineswegs immer mit dem Kopf durch die Wand, obgleich Stücke wie „Mothers‘ Sons“ das vielleicht vermuten lassen. Auch atmosphärische Übergänge und Zwischenspiele haben bei Defeater Platz.
Das kann aber auch zur Herausforderung werden. „Es ist ja nicht ganz einfach, als Hardcore-Band dein fünftes Album zu schreiben“, verwies Woodruff auf die Grenzen des Genres. „Andererseits hatten wir diesmal wirklich Zeit, um an den Songs zu feilen. Das war schon ein Luxus. Sonst haben wir immer alles zwischen die Tourneen gequetscht. So viele Ideen, die du vielleicht hast, kannst du gar nicht wirklich umsetzen.“ Geholfen hat dabei auch Will Yip, der diesmal an den Reglern saß. „Er hat schon viel zur Platte beigetragen“, nickte Archambault. „Auch wenn wir sehr selbstbewusst sind, was unser Material betrifft. Aber es weiß einfach, wie man ein bisschen Glitzern rein bringt.“ Woraufhin die ganze Truppe herzhaft lachen musste.
Es mag auch etwas eigen wirken, wenn man angesichts dieser düsteren Geschichte, in der Menschen in erster Linie leiden und verzweifelt sind, diesen Vergleich heranzieht. Aber Defeater schaffen es letztlich, dass man davon nicht erdrückt wird - besonders in den neuen Stücken. Weshalb auch der Bandname als Titel für die Songsammlung recht gut passt. „Normalerweise machst du das ja nicht bei deinem fünften Album“, sagte Bassist Mike Poulin. „Aber es hat sich für uns gut angefühlt und einfach Sinn gemacht.“
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - https://defeaterhc.com)