„Critical Care“: Architektonische Intensivpflege für die Zukunft
Wien (APA) - „Es geht uns nicht um Alarmismus“, schickt Angelika Fitz, Leiterin des Architekturzentrums Wien (Az W), der am heutigen Mittwoc...
Wien (APA) - „Es geht uns nicht um Alarmismus“, schickt Angelika Fitz, Leiterin des Architekturzentrums Wien (Az W), der am heutigen Mittwoch eröffnenden Schau „Critical Care“ voraus. Schließlich widmet sie sich gemeinsam mit der Kulturtheoretikerin Elke Krasny der „Architektur für einen Planeten in der Krise“, so der Untertitel der Ausstellung. Gezeigt werden Lösungsansätze aus aller Welt - und Wien.
„Wir haben es mit multiplen Krisen gleichzeitig zu tun“, umriss Krasny die Herausforderungen, denen Architekten und Stadtplaner derzeit gegenüberstehen. Und so widmen sich die ausgestellten Projekte Themen wie Überschwemmungsschutz, Erdbebensicherheit oder aber auch der Umnutzung modernistischer Bauten oder neuen Konzepten für öffentliche Plätze. „‘Critical Care‘ ist ein Plädoyer für eine Architektur des Sorgetragens“, so die beiden Kuratorinnen, die 21 Beispiele von China bis Brasilien zusammengetragen haben, in denen sowohl öffentliche Stellen wie auch die Bevölkerung selbst gemeinsam mit Architekten und Planern neue „Wiederbelebungsmaßnahmen für den Planeten“ getroffen haben. „Die Erde ist quasi auf der Intensivstation, wo sie nun gepflegt werden muss.“
Auch das Ausstellungsdesign von the next ENTErprise hat sich ganz der Nachhaltigkeit verschrieben und erneut mit viel Karton gearbeitet, aus dem die Präsentationskojen und Tafeln gefertigt wurden. Anhand von Fotos, Videos, Plänen und Texten wird dem Besucher ein kompakter, aber auch im Katalog zu vertiefender Einblick in architektonische Modelle der Zukunft ermöglicht.
Strukturiert ist die Schau in fünf Kapitel, in denen jeweils vier bzw. fünf Projekte vorgestellt werden, die in ihren Ansätzen höchst unterschiedlich sind, die jedoch das Bestreben nach Ressourcenschonung und Gemeinschaftlichkeit vereint. „Architektur und Urbanismus haben auch immer mit den Feldern Ökonomie, Ökologie und Arbeit zu tun“, so Krasny, die hervorhob, dass es zusehends ganze Netzwerke von Akteuren braucht, um derart komplexe Vorhaben umzusetzen.
„Sorgetragen für Wasser, Grund und Boden“ nennt sich das Kapitel, in dem etwa ein Projekt in Bangladesch vorgestellt wird: Dort hat das Architekturbüro Urbana von Kashef Mahboob Chowdhury auf Aufschüttungen als Überflutungsschutz verzichtet und „mit dem Wasser, nicht gegen dieses gearbeitet“. Durch den Einsatz von tragendem Mauerwerk und der Sammlung von Regen- und Oberflächenwasser in internen Becken, deren Überschuss in einen Teich gepumpt wird, entstand eine neuartige Lösung.
Ein modernistisches Kaufhaus in Sao Paulo wurde nicht abgerissen, sondern zu einem sozialen Kultur-, Sport- und Gesundheitszentrum umgebaut (Architekt: Paulo Mendes da Rocha). Dieses Projekt findet sich ebenso im Kapitel „Sorgetragen für Reparatur“ wie „ZUsammenKUNFT“ in Berlin, wo am Alexanderplatz das ehemalige Haus der Statistik aus DDR-Zeiten zu einem gemeinwohlorientierten Stadtquartier mit leistbarem Wohnen, Kultur, Bildung und dem „Rathaus von Morgen“ umgestaltet wurde.
Alte persische Lehmbautechniken verwendet die indische Architektin Anupama Kundoo, um obdachlosen Kindern in Pondicherry in Südindien ein neues Zuhause zu bieten: Dabei wurde das gesamte Haus aus ungebrannten Ziegeln erbaut und in Folge als Ganzes angezündet, wodurch es zugleich als Materialproduzent für andere Keramik-Arbeiten diente. Das Projekt findet sich in „Sorgetragen für Fertigkeiten und Kenntnisse“.
„Sorgetragen für öffentlichen Raum“ nennt sich jener Abschnitt, der sich etwa einem Projekt in London widmet, das die umliegenden Gebäude ausgehend von der Planung des öffentlichen Raums dazwischen entwickelt hat. Im selben Kapitel findet sich auch die Präsentation der vom Az W kuratierten Ausstellung „Care + Repair“ aus dem Jahr 2017, das in der Nordbahnhalle in Wien-Leopoldstadt realisiert wurde. Im Rahmen von Tandems von Architekturteams und lokalen Experten wurde dabei an der „Reparatur der Zukunft für die Freie Mitte“ gearbeitet, die im Stadtentwicklungsgebiet entstehen soll.
Flankiert wird die bis zum 9. September laufende Schau von einem Symposium am 21. Juni sowie zahlreichen Spezialführungen und dem umfangreichen englischsprachigen Katalog.
(S E R V I C E - Ausstellung „Critical Care. Architektur für einen Planeten in der Krise“ im Architekturzentrum Wien. 25. April bis 9. September. Englischsprachiger Katalog: „Critical Care. Architecture and Urbanism for a broken Planet“, hrsg. von Angelika Fitz und Elke Krasny, 300 Seiten, 38,60 Euro. Infos unter www.azw.at)
(B I L D A V I S O - Pressebilder stehen unter https://www.azw.at/de/presskit/pressebilder-critical-care-architektu r-fuer-einen-planeten-in-der-krise/ zum Download bereit.)