Gesundheit

Ernährung ohne tierische Produkte: Wie (un-)gesund vegan ist

Viel Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte, Soja, Pflanzenfette, Nüsse: Wer sich vegan ernährt, muss genau auf seine Ernährung achten.
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Aufregung um rein pflanzliche Ernährung: Bekannte Veganer beklagen gesundheitliche Probleme und wollen nicht mehr verzichten. Doch zu viel Fleisch ist auch ungesund.

Von Deborah Darnhofer

Innsbruck –Im Internet schwärmten Yovana Mendoza, Tim Shieff und Bonny Rebecca jahrelang von veganer Ernährung, teilten Erfahrungen und Rezepte, die ohne tierische Produkte auskommen. Doch jetzt beklagen die Netzberühmtheiten Probleme: Haut, Hormone, Zyklus, Magen und Darm seien gestört. Darum verzichten die drei Vorreiter der veganen Internet-Gemeinschaft auf den Verzicht. Sie greifen wieder zu Fleisch, Milchprodukten und Fisch – aus gesundheitlichen Gründen, wie sie selbst in Videos erklären. Millionen ihrer Anhänger und Medien stellen seither die Frage: Wie gesund bzw. ungesund ist vegane Ernährung?

„Wenn man vegan leben möchte, muss man sich großes Wissen aneignen, damit man alle wichtigen Makro- und Mikronährstoffe zu sich nimmt“, findet Diätologin und Ernährungstrainerin Karin Ratschiller. Die Innsbruckerin will die rein pflanzliche Ernährung daher nicht „als allgemeingültige Ernährung für jedermann und -frau“ empfehlen. Allerdings würde ein „etwas weniger an Fleisch uns allen nicht schaden“. Will heißen: Zwei bis drei Mal wöchentlich Fleisch und/oder Fisch und ansonsten vegetarisch zu essen, wäre aus ihrer Expertensicht ideal.

Das deckt sich mit den Empfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE). Sie sieht vegane Ernährung kritisch und befürchtet Nährstoffdefizite. Vor allem ein Zuwenig an Eiweiß im Körper sieht Ratschiller problematisch. Dieser könne etliche Erkrankungen zur Folge haben. Dazu zählen der Abbau der Körperzellmasse (Muskeln, Kraft und Leistung lassen nach) und ein geschwächtes Immunsystem, was die Infektanfälligkeit erhöht und zu Entzündungen im gesamten Organismus führen kann. Magen, Darm, Haut und Psyche können merkbar betroffen sein. Dabei gilt es zu beachten, dass der Körper tierisches und pflanzliches Eiweiß unterschiedlich aufnehme, erklärt die Innsbrucker Ernährungsexpertin. „Aus 100 Gramm Hülsenfrüchte lassen sich etwa sechs Gramm Eiweiß aufnehmen, aus der gleichen Menge festem Schnittkäse vier bis fünf Mal so viel (28 Gramm) und aus Steakfleisch 20 Gramm.“

Andererseits würden Veganer jedoch viel mehr gesunde Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe und hochwertige Pflanzenfette in Form von Ölen, Nüssen und Samen zu sich nehmen, was laut der Diätologin wiederum einen Vorteil darstellt. Durchaus positiv bewerten mittlerweile die weltweit größte Fachgesellschaft für Ernährung, die amerikanische Ernährungsorganisation („Academy of Nutrition und Dietetics“) und andere Gesellschaften, aus z. B. Kanada und Portugal, die rein pflanzliche Ernährung – sofern sie ausgewogen ist.

Denn eines ist sicher, gilt für Fleischesser und Veganer gleichermaßen und wird von allen Experten geteilt: Einseitige Ernährung stellt immer ein Problem dar. Im Falle der Internetberühmtheiten wird bei Durchsicht ihrer alten Videos schnell klar: Sie hatten teilweise wochenlang radikale Kuren probiert, etliche Lebensmittel vom Speiseplan gestrichen und oft nur ganz wenige Produkte (z. B. Früchte) exzessiv gegessen. Unter dem Vorbehalt, „gesund zu essen“, wurde und wird mitunter im extremen und ungesunden Maß verzichtet. Das beobachtet Ratschiller auch hierzulande, „bei vor allem jungen Frauen“. Gefährliche Nährstoffmängel und schwerwiegende gesundheitliche Beschwerden sind dann oft die Folge. Sie rät daher zu Vielseitigkeit und Abwechslung am Teller. „Nichts übertreiben und von allem etwas nehmen. Gesund essen bedeutet, dadurch beste körperliche Verfassung und höchste Lebensqualität zu erreichen. Nur das zählt, egal ob man nun auf Fleisch verzichten will oder nicht“, sagt die Innsbrucker Diätologin.

Trotz der Vorbehalte veganer Ernährung gegenüber steht aber auch fest, dass sie derzeit Gesprächsthema ist – und das im Supermarktregal, beim Fastfood-Lokal mit dem berühmten „M“, der seit Kurzem einen veganen Burger verkauft, und bei Konsumenten. „Es gibt eine starke Bewegung in Richtung vegan. Immer mehr Menschen – in Österreich 50 % der Bevölkerung – wollen phasenweise weniger Fleisch essen“, berichtet Felix Hnat, Obmann der Veganen Gesellschaft Österreich. Er sieht in der veganen Ernährung naturgemäß kein Problem und verweist u. a. auf die positive Bewertung der US-Ernährungsgesellschaft. Weniger Fleisch zu essen tue der Gesundheit und Umwelt gut, ist der Wiener überzeugt.

Am Wochenende lädt er am Innsbrucker Marktplatz zur „Veganmania“ mit Austellern veganer Kost und veganen Produkten (17. Mai, 11–21 Uhr, 18. Mai 10–20 Uhr, bei jedem Wetter).

Worauf bei veganer Ernährung achten

Vegan ist der Verzicht auf alle Lebensmittel tierischen Ursprungs (u. a. Fleisch, Fisch, Eier, Käse, Milch, Honig). Veganer verzichten auch z. B. auf echtes Leder.

Vitamin B12 findet sich nur in tierischen Lebensmitteln und muss von Veganern daher durch Tabletten oder angereicherte Produkte zugeführt werden.

Weiters ist auf genügend Eisen, Kalzium, Zink und Jod sowie Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren zu achten.

Pflanzliche Fette (z. B. in Form von Avocados, Nüssen, Raps- und Leinöl) und abwechslungsreiches Essen sind für Veganer ebenfalls wichtig.

Wer umsteigen möchte, sollte vorher einen Arzt oder eine Diätologin konsultieren und regelmäßig Bluttests machen.