Praevenire - Schadensminimierung gegen Tabakkonsum
Wien/Seitenstetten (APA) - Vor einem Jahr hätte es zum - von der türkis-blauen Regierung verhinderten - Gastro-Rauchverbot kommen sollen. Hi...
Wien/Seitenstetten (APA) - Vor einem Jahr hätte es zum - von der türkis-blauen Regierung verhinderten - Gastro-Rauchverbot kommen sollen. Hier fehlt es für die Reduktion der Raucherquote in Österreich an den politischen Rahmenbedingungen. In der Schadensminimierung könnten E-Zigaretten etc. eine Ergänzung zur Nikotinersatztherapie darstellen, hieß es am Dienstag bei den Praevenire-Gesundheitstagen in Seitenstetten.
„Wir haben ein deutliches Problem. Wir haben eine Epidemie. Sieben Millionen Menschen sterben jährlich am Tabakkonsum. 24 Prozent der Österreicher über 15 Jahren rauchen. Bei den Frauen sind es Prozent bei einem EU-Durchschnitt von 16 Prozent. Goldstandard ist völliger Rauchstopp. Das ist aber schwierig zu erreichen“, sagte der Leiter der psychiatrischen Universitätsklinik in Wien (MedUni/AKH), Siegfried Kasper.
Hier könnten schadensminimierende Maßnahmen eine Hilfe darstellen. „Die kennen wir vom Impfen, bei der Cholesterinsenkung, bei der Blutdruckeinstellung oder bei anderen Suchterkrankungen mit der Drogensubstitutionstherapie“, sagte der Experte. Jedenfalls reduziere der Verzicht auf den Tabakrauch jedenfalls die ärgsten gesundheitlichen Gefahren.
Das ist wissenschaftlich längst bewiesen. „Die schwedischen Männer haben bei einem ähnlichen Tabakkonsum wie die Österreicher nur die Hälfte der Lungenkrebsfälle gehabt. Das haben wir uns das genauer angeschaut und sind draufgekommen, dass die schwedischen Männer eben Tabak als Snus (kleine Tabaksäckchen zur oralen Aufnahme des Nikotins; Anm.) verwenden. Dieser ‚Feldversuch‘ hat längst gezeigt, dass ‚Harm Reduction‘ funktioniert“, betonte der Wiener Sozialmediziner Michael Kunze. In Norwegen liegt die Raucherquote bei nur noch einem Prozent - wegen Snus, stellte Bernhard-Michael Mayer vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Graz fest.
Während die Nikotinersatzpräparate in den Apotheken (Kaugummi, Pflaster, Inhalatoren etc.) gut etabliert sind, wurde bisher auf die mögliche Rolle anderer Produkte zur Schadensminimierung offenbar zu wenig Rücksicht genommen. Dazu könnten auch E-Zigaretten oder Tabak-Erhitzer beitragen.
„In den USA hat die FDA (Arzneimittelbehörde) gerade im April die erste Tabak-Erhitzer, welche den Tabak auf 350 Grad erhitzen, statt die E-Zigarette, die den Tabak mit 800 Grad Celsius verbrennt, zugelassen. Das erfolgte wegen der stark verringerten Schadstoffproduktion“, sagte Kasper. Die Reduktion bei den gefährlichsten Tabakrauch-Schadstoffen betrage bis zu mehr als 90 Prozent, was ein Vorteil sei. Eine aktuelle spanische Studie hat auch nachgewiesen, dass bei Schwangeren keine Schäden auftreten, wenn sie solche Produkte verwenden.
Die Angst, dass Jugendliche über die solche Produkte erst zum Tabakkonsum kämen, ist offenbar unbegründet. „Es gibt Studien, die nachweisen, dass Jugendliche nicht über E-Zigaretten oder Tabak-Erhitzer zum Tabakkonsum kommen oder später gar auf Zigaretten umsteigen“, sagte Mayer.
Trotz allem fehlt es laut den Fachleuten in Österreich weiterhin am entsprechenden politischen Umfeld für das Zurückdrängen des Tabakkonsums. Lisa Brunner, Leiterin des Instituts für Suchtprävention der Sucht- und Drogenkoordination Wien, stellte dazu fest: „Jeder Mensch, der abhängig ist, dem sollte man den Ausstieg so leicht wie möglich machen. Aber ich finde es schwierig, Prävention zu machen, wenn die (Zigaretten-; Anm.) Preispolitik und das Rauchverbot in der Gastronomie fehlen. Auch der Staat muss ein Vorbild sein. In Irland und Schweden rauchen 13 Prozent der Jugendlichen. Wir sind bei 28 oder 29 Prozent.“