Kinigadner im TT-Interview: „Zarco muss was ändern oder er scheitert“
Vor dem MotoGP-Gastspiel in Frankreich ist bei KTM Feuer am Dach: Tirols Sportmanager Heinz Kinigadner sprach Klartext über das Problem mit Superstar Zarco.
Am Wochenende gastiert die MotoGP in Frankreich. Derzeit plagt Ihr Team aber eine andere Baustelle: Ihr Superstar Johann Zarco (FRA) hatte nach dem Jerez-Rennen Kritik an Ihrem Bike ausgesprochen. Daraufhin stellte KTM-Firmenchef Stefan Pierer die Beziehung in Frage.
Heinz Kinigadner: Es ist alles nicht ganz so dramatisch. Es war so, dass die Chefs einfach entsetzt über Zarcos Aussagen waren. Er ist einfach nicht bereit, seinen Fahrstil zu ändern. Er will, dass das Bike an seine Vorstellungen angepasst wird. Das geht aber nicht. Auf der anderen Seite ist er nicht bereit, Entwicklungsarbeit zu leisten. Wir haben ihm jetzt einmal Allzeit-Größe Jean-Michel Bayle zur Seite gestellt. Auch zur mentalen Unterstützung.
Zarco war im Vorjahr der begehrteste Pilot und mit seiner Verpflichtung hat man natürlich auch den nächsten Schritt erwartet. Zu Buche steht aber nur ein magerer 13. Rang.
Kinigadner: Das gilt für beide Seiten. Zarco war von Yamaha gewöhnt, sich einfach auf das Motorrad zu setzen und Gas zu geben. Bei uns muss man aber auch Entwicklungsarbeit leisten. Ich war ja in Jerez und habe ihn gefragt: „An was liegt es?“ Er war aber nicht bereit, Auskunft zu geben, und antwortete nur: „Ich will mich damit nicht beschäftigen.“ So geht das aber nicht, denn er verdient bei uns auch viel Geld.
Muss man die Ehe schon als gescheitert ansehen?
Kinigadner: Nein, es gibt noch keinen Grund, alles in Frage zu stellen. Aber Zarco muss was ändern, sonst scheitert er. Ähnliches haben wir bei Valentino Rossi bei Ducati (2011/12, Anm.) oder Jorge Lorenzo (2017/18, Anm.) bei dessen Ducati-Gastspiel gesehen. Da geht es um Setting-Arbeit. Hätte Zarco seinen Fahrstil schon umgestellt, wäre er längst an den Top Ten dran. Aber am Ende des Tages darf man das alles nicht überbewerten, alles braucht seine Zeit.
Wie geht Ihre Nummer zwei, Pol Espargaró (ESP), mit der Situation um? Er glänzte mit einem achten Rang in Texas (USA).
Kinigadner: Dem muss man einmal ein ganz großes Lob aussprechen. Espargaró hat natürlich auch mitbekommen, dass wir Zarco als Nummer eins wollten. Er hat aber nie auf stur geschaltet und liefert tolle Arbeit ab. Der Eindruck, den er hinterlässt, ist ein sehr guter. Auch Miguel Oliveira (POR, Anm.) kommt immer besser in Fahrt und hilft mehr mit als Zarco.
Dass nach dem USA-Rennen alle über Fabio Quartararos (Yamaha) siebten Platz gesprochen haben, wird dem französischen Landsmann Zarco ebenso wenig gefallen haben.
Kinigadner: Klar, vor allem, weil im Vorjahr alle über ihn gesprochen haben. Jetzt kommt der 20-jährige Quartararo daher und steht in den Schlagzeilen.
Abgesehen von der Zarco-Problematik: Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Saisonverlauf?
Kinigadner: Es ist alles etwas zäh, aber wir sind in Schlagdistanz. Man darf auch nicht vergessen, dass die Dichte extrem zugenommen hat. Alles bewegt sich mittlerweile im Rahmen von einer Sekunde. Eine Sekunde Rückstand und du bist mittlerweile nicht mehr in den Punkten. Das ist schon mehr als beeindruckend. Bei den Jerez-Tests hat Espargaró gut ausgesehen – da waren wir nur eine halbe Sekunde von der Spitze entfernt. Wobei ich die Testfahrten nicht überbewerten will.
Wie sehen Sie die Leistungen in den beiden anderen Klassen?
Kinigadner: In der Moto3 bewegen wir uns auf Augenhöhe mit der Konkurrenz, in der Moto2 sind wir in Sichtweite mit der Führung. Da fehlt uns allerdings noch ein bisschen was. Da liegt es an uns, denn mit Brad Binder haben wir den besten Piloten unter Vertrag.
In Jerez stand wieder Weltmeister Marc Márquez am obersten Podest. Ist der Spanier mit der Honda auch heuer wieder das beste Paket?
Kinigadner: Überraschenderweise nicht. Wenn sie das richtige Setup finden, sind sie natürlich nicht zu biegen, aber von Haus aus zählt man sie nicht zu den Favoriten. Wir dürfen aber nicht den Faktor Marc Márquez vergessen. Was der aufführt, das ist einfach nicht von dieser Welt. Wie er immer und immer wieder den Tanz am Limit zelebriert – das ist die ganz große Show.
Es ist schwer, bei der Nummer 93 nicht ins Schwärmen zu geraten.
Kinigadner: Er ist eine unglaubliche Ausnahmeerscheinung, ein ganz Großer. Allein, wenn es regnet und er über alle anderen drüberfährt – der ist einfach der Hammer! Das muss man neidlos anerkennen.
Aber auch der 40-jährige Valentino Rossi (Yamaha) ist bei der Musik dabei.
Kinigadner: Das freut wirklich jeden. Denn eigentlich muss man ja davon ausgehen, dass sich „Vale“ jedes Jahr weiter von der Spitze entfernt. Das Gegenteil ist aber der Fall.
Spaß macht auch die heurige Ausgeglichenheit in der MotoGP. Toto Wolff (Mercedes-Motorsportchef, Anm.) spricht bei der Formel 1 stets von einem generierten Werbewert jenseits der eineinhalb Milliarden Euro. Rentiert sich das teure Gastspiel in der Königsklasse auf zwei Rädern ebenso?
Kinigadner: Es ist viel Geld, das investiert wird, aber das ist von oben abgesegnet. Und dadurch bist du einfach auf der Landkarte vertreten. China, Thailand – da bist du auf dem asiatischen Markt omnipräsent und hast die perfekte Werbung. So eine weltweite Präsenz, die erreichst du mit Motocross nicht einmal ansatzweise.
Das Gespräch führte Daniel Suckert
Die Motorrad-WM in Frankreich
Programm, Freitag: Freies Training (ab 9.55 Uhr; DAZN)
Samstag: Qualifying (ab 12.25 Uhr auf Servus TV; DAZN)
Sonntag: Rennen (14 Uhr, Servus TV; DAZN)
WM-Stände, MotoGP: 1. Marc Márquez (ESP) Honda 70 Pkte, 2. Álex Rins (ESP) Suzuki 69, 3. Andrea Dovizioso (ITA) Ducati 67
Moto2: 1. Lorenzo Baldassarri (ITA) 75; 2. Thomas Lüthi (SUI) 58; 3. Marcel Schrötter (GER) 48; weiters: 10. Brad Binder (RSA) KTM 25
Moto3: 1. Aron Canet (ESP) KTM 58; 2. Niccolo Antonelli (ITA) Honda 57, 3. Jaume Masia (ESP) KTM 45