Pressestimmen zum Abtreibungsgesetz im US-Staat Alabama
Wien/Montgomery (Alabama) (APA/dpa) - Internationale Tageszeitungen kommentieren am Donnerstag das im US-Staat Alabama verabschiedete Gesetz...
Wien/Montgomery (Alabama) (APA/dpa) - Internationale Tageszeitungen kommentieren am Donnerstag das im US-Staat Alabama verabschiedete Gesetz zum Verbot von Abtreibungen:
„Times“ (London):
„Die manchmal unangenehme und unerfreuliche Tonlage amerikanischer Politik mag der Tatsache geschuldet sein, dass es dabei allzu oft um einen Kulturkrieg geht. Seit dem als Roe v. Wade bekannten Grundsatzurteil des Obersten US-Gerichtshofes von 1973 ging es an einer der Fronten dieses Krieges um das Recht der Frauen auf Abtreibung. (...)
Die öffentliche Meinung war in Amerika stets geteilt, genau wie heute. Jüngste Umfragen weisen eine sehr knappe Mehrheit für die legale Möglichkeit zu Abtreibungen aus. Der Zweck einer Verfassung besteht manchmal darin, die Rechte von Bürgern vor anderen Bürger zu schützen. Es kann durchaus sein, dass Amerika die Ansicht der Nationalen Organisation für Frauen auf die Probe stellen wird, die das Verbot (von Abtreibungen) ‚verfassungswidrig‘ nannte. Die Aufmerksamkeit richtet sich nun auf den Obersten Gerichtshof. Er sollte die Rechte der Frauen aufrechterhalten. Aber es ist nicht mehr sicher, dass er dies tun wird.“
„La Repubblica“ (Rom):
„Es ist eine Offensive, die möglicherweise das Recht auf Abtreibung in ganz Amerika in Frage stellen will: Ihre Verteidiger werden zu rechtlichen Schritten gezwungen, die dann mit größter Sicherheit vor dem Supreme Court landen. Und dort - weiß man - sind die konservativen Richter die Mehrheit, 5 von 9: Darunter sind Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh, die beiden Kandidaten, die (US-Präsident) Donald Trump gewählt hat, um seine konservative Basis zufriedenzustellen. Beide sind ausgesprochen ‚Pro Life‘. (...)
Wie immer es ausgeht. Für die Republikaner ist das Timing optimal. Die Beschwerden werden sicher im Frühjahr 2020 diskutiert. Damit wird die Abtreibung eines der zentralen Themen im Wahlkampf um die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten.“
„Dagens Nyheter“ (Stockholm):
„Dass Alabama versuchen würde, das Recht auf Abtreibung aufzuheben, war keine Überraschung. Es ist ein konservativer Staat, der bereits sehr strenge Beschränkungen hat. Aber die Frage geht damit zurück an den Obersten Gerichtshof, der im historischen Fall Roe v. Wade aus dem Jahr 1973 feststellte, dass die Verfassung das Recht der Frau auf Abtreibung schützt. (...) Der Oberste Gerichtshof der USA sollte kein politisches Schlachtfeld sein. Eine nüchterne Betrachtung von Abtreibungen muss auch in den USA möglich sein.“
„Tages-Anzeiger“ (Zürich):
„Die Abtreibungsgegner zielen mit ihren Vorstößen auf den Obersten Gerichtshof der USA: Er soll ein Grundsatzurteil von 1973 aufheben, das die Abtreibung landesweit legalisierte. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, ist trotz einer rechten Mehrheit am Gericht ungewiss. Doch der Schaden, den die Abtreibungsgegner anrichten, ist bereits jetzt groß. Die Kluft zwischen progressiven und konservativen Gegenden wird tiefer.
Vor allem aber verschlechtert sich die Stellung der Frau auf eine Weise, die man im Jahr 2019 nicht mehr für möglich hält. Frauen wird, erneut, die Selbstbestimmung über ihren Körper abgesprochen. Dabei sehen die gleichen Kreise, die bei der Abtreibung die Garanten des Lebens geben, kein Problem darin, dass Mütter und Kinder in prekären Verhältnissen zu Opfern eines kaputten Gesundheitssystems werden. Alabama bekenne sich zum Leben, freuen sich die Abtreibungsgegner. Und werden ob so viel Heuchelei nicht einmal rot.“