Bühne

Höllisches Hollywood

Glanzlichter am „Sunset Boulevard“: Erwin Belakowitsch, Maya Hakvoort und Dominik Hees (v. l.)
© Sebastian

Mit „Sunset Boulevard“ erforschen die Vereinigten Bühnen Bozen die Abgründe der Traumfabrik.

Bozen –Mit „Sunset Boulevard“ schrieb und inszenierte Billy Wilder 1950 eine beißende Abrechnung mit den Mechanismen der US-Filmbranche: Es geht um einen zum Zyniker gewordenen Autor, ein Mädchen mit großen Ambitionen, einen vom Tonfilm vergessenen Star, um Gier, Geltungssucht und Grausamkeit, um oberflächliche Effekte und abgründige Obsessionen.

Anfang der 1990er-Jahre verwandelte Starkomponist Andrew Lloyd Webber den Filmklassiker in ein Musical. Mehr als 2000-mal wurde es am Londoner West End und am Broadway aufgeführt. 2016 weitete Webber die Partitur zur „Symphonic Version“ aus. Diese wird derzeit als mitreißender, psychologisch dichter Spielzeit-Schlusspunkt an den Vereinigten Bühnen Bozen gespielt.

Regisseur Rudolf Frey seziert den Stoff auf offener Bühne. Ein Vorhang dient bisweilen zur Erschaffung neuer Räume. Für den zweiten, in einem Hollywood-Atelier angesiedelten Teil reicht Bühnenbildner Luis Graninger eine angedeutete Studio-Pforte zur stimmigen Verortung. Immer wieder werden die Kulissen von Videoarbeiten Aron Kitzigs bestrahlt: „Träume aus Licht“ – wie sie gleich mehrfach in „Sunset Boulevard“ besungen werden. Träume allerdings, die auf gespenstische Weise die ganz konkreten Alpträume unterstreichen, vor denen sich die – von Frey mit sprichwörtlich traumwandlerischer Präzision geführten – Figuren in mal scheinwerfer-, dann wieder sonnengeflutete Scheinwelten flüchten. Einzig Aleksandra Kicas Kostüme sind klar an die Film-Noir-Ästhetik der frühen Fifties geknüpft. Ein Kunstgriff, der in Kombination zum abstrakten Dekor die Zeitlosigkeit der Vorlage unterstreicht.

Darstellerisch ist der Bozner „Sunset Boulevard“ gespickt von Glanzlichtern: Maya Hakvoort balanciert als von der Traumfabrik verstoßene Norma Desmond zwischen derangiertem Glamour und dämonischer Besessenheit; Dominik Hees wird als Joe Gillis vom ernüchterten Hollywood-Profi zum Getriebenen; Merle Hoch belebt mit sprühendem Übermut das Tete-a-Tete von Frühvergreisten und Untoten; und Erwin Belakowitsch sorgt für das bei der Premiere am Donnerstagabend zu Recht heftig akklamierte Kabinettstück der Inszenierung: Als Butler Max humpelt er wie ein Zombie und singt wie ein Engel. Lukas Lobis hat als mit der eigenen Vergangenheit und „Samson und Delilah“ hadernder Großregisseur Cecil B. DeMille funkelnde Kurzauftritte.

Auch im Graben funkelt es: Das Haydn Orchester unter Stephen Lloyd legt der lange nachwirkenden Erforschung der Hölle Hollywood einen vielfarbigen Klangteppich – und sorgt, wenn nötig, für wuchtigen Breitwandsound. (jole)