EU-Wahl - Rechtspopulisten als Freunde und die Grünen als Feind

Berlin (APA/AFP) - Auf europäischer Ebene sucht er den Schulterschluss mit führenden Rechtspopulisten, zu Hause arbeitet er sich bevorzugt a...

Berlin (APA/AFP) - Auf europäischer Ebene sucht er den Schulterschluss mit führenden Rechtspopulisten, zu Hause arbeitet er sich bevorzugt an den Grünen ab: AfD-Spitzenkandidat Jörg Meuthen lässt kurz vor der Europawahl keine Gelegenheit aus, sich als starker Mann seiner Partei zu zeigen. Vor knapp vier Jahren kam er quasi aus dem Nichts an die AfD-Spitze - und festigt seitdem beharrlich seine Position.

Am Samstag geht Meuthen Seite an Seite mit Marine Le Pen und Matteo Salvini in die Schlussphase des Europawahlkampfs: In Mailand wollen die europäischen Rechtskonservativen Stärke demonstrieren. Etwa ein Dutzend Parteien könnten eine Fraktion im EU-Parlament bilden - darunter die italienische Lega, die französische Sammlungsbewegung Rassemblement National und die FPÖ. Die AfD mit aktuell eher bescheidenen Umfragewerten hat dabei nicht das größte Gewicht.

Meuthen erwartet ein Ergebnis wie bei der Bundestagswahl, also um die 12,6 Prozent, was etwa zwölf Abgeordneten entspräche. Vor kurzem noch liebäugelte die Partei mit 20 Mandaten. Den Stimmungsdämpfer führt Meuthen auf die Prüfung seiner Partei durch den Verfassungsschutz zurück, auch wenn dieser öffentlich nicht von einem „Prüffall“ sprechen darf. „Das hat uns sicher massiv geschadet“, sagt er.

Zu schaffen macht der AfD auch die Affäre um dubiose Wahlkampfhilfen, die neben Meuthen und Guido Reil als Nummer zwei der Europaliste auch Fraktionschefin Alice Weidel belastet.

Aktuell ist Meuthen der einzige AfD-Europaabgeordnete, er kam Ende 2017 als Nachrücker nach Straßburg. Nach der Bundestagswahl 2013 schloss er sich der jungen Partei an. Politisch festgelegt war Meuthen bis dahin nicht. Aufgewachsen in einem Essener Arbeiterviertel gründete er als Jugendlicher in Rheinland-Pfalz, wohin die Familie umgezogen war, einen Ortsverband der Jungen Union. Später wählte er nach eigenen Angaben gelegentlich die FDP.

Der gewiefte Redner studierte Politik, Publizistik und Volkswirtschaftslehre. Seine Doktorarbeit schrieb er über die Kirchensteuer. Im SPD-geführten hessischen Finanzministerium war Meuthen Referent in der Haushaltsabteilung. 1996 kam er als Professor für Volkswirtschaftslehre an die Hochschule für öffentliche Verwaltung ins baden-württembergische Kehl, seine Professur ruht.

Zur AfD ging Meuthen wegen Parteigründer Bernd Lucke. Als dieser im Juli 2015 von Frauke Petry aus dem Amt gejagt wurde, kam seine große Stunde: Meuthen wurde Petrys Ko-Parteivorsitzender. Als baden-württembergischer Landeschef führte er die AfD 2016 mit 15,1 Prozent in den Stuttgarter Landtag. Den dortigen Fraktionsvorsitz gab er ab, als er ins Europaparlament wechselte. Seit Dezember 2017 steht er mit Alexander Gauland an der Spitze der Bundes-AfD.

Der Wirtschaftsprofessor aus Baden-Württemberg ist schwer zu fassen - genau das scheint sein Kalkül zu sein. Meuthen lächelt meist freundlich, wägt seine Worte sorgsam ab und lässt sich auf keine Strömung der Partei festlegen. Der inzwischen zum dritten Mal verheiratete Vater von fünf Kindern galt anfangs als bürgerlich-liberales Aushängeschild und Gegenpol zu rechten Krawallmachern in der Partei. Doch Meuthen gefällt sich auch in der Rolle des rechten Scharfmachers.

Gern wiederholt er seine Kampfansage gegen das „links-rot-grün verseuchte 68er-Deutschland“. Die erstarkten Grünen nennt Meuthen „hochgefährlich“, er bezichtigt sie der „Klimahysterie“ und „Panikmache“. Die Vorstellung, Grünen-Chef Robert Habeck könnte einmal Kanzler werden, verursacht ihm regelrechtes Grauen. „Dann würde ich wohl ganz ernsthaft über Auswanderung nachdenken“, sagte Meuthen kürzlich zu AFP.

So offen er sich auf europäischer Ebene in Richtung rechts zeigt, agiert er auch in Deutschland. Ganz selbstverständlich pflegt Meuthen den Kontakt zum rechten Rand der AfD. Der Parteichef sieht sich „als denjenigen, der die verschiedenen Flügel integriert“. So macht seiner Ansicht nach der Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke „einen ausgezeichneten Job“. Meuthen braucht die starken Landesverbände im Osten, wo dieses Jahr in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gewählt wird, zur Festigung seiner Macht.