EU-Wahl - Web-Filter, Roaming, Plastik: Was das EU-Parlament bewegte

Brüssel/Straßburg (APA) - Mehr als 27.000 Abstimmungen sind im Europaparlament in den vergangenen fünf Jahren über die Bühne gegangen. Darun...

Brüssel/Straßburg (APA) - Mehr als 27.000 Abstimmungen sind im Europaparlament in den vergangenen fünf Jahren über die Bühne gegangen. Darunter waren viel diskutierte Entscheidungen von der Urheberrechtsreform samt Uploadfiltern bis zum Ende von Zeitumstellung, Einwegplastik und Roaminggebühren. Aber auch das Parlament selbst stand im Fokus von Debatten - etwa im Zusammenhang mit #MeToo. Im Folgenden eine Bilanz:

URHEBERRECHTSGESETZ

Im März dieses Jahres verabschiedete das Parlament die heftig diskutierte Reform des Urheberrechts bzw. dessen Anpassung an das digitale Zeitalter. Das neue Gesetz soll sicherstellen, dass die Rechte und Verpflichtungen des Copyrights auch im Internet gelten. Kreative und Nachrichtenmedien haben nun die Möglichkeit, Lizenzverträge mit YouTube, Google oder Facebook auszuhandeln. Plattformen müssen künftig beim Hochladen überprüfen, ob Inhalte urheberrechtlich geschütztes Material enthalten. Dieser Passus hat viele Kritiker auf den Plan gerufen, da dies ihrer Meinung nach nur durch automatisierte Filter möglich sei, was letztendlich einer Zensur gleichkomme.

ROING

Das EU-Parlament billigte im April 2017 das zuvor zwischen den Staaten ausverhandelte Aus für Roaming-Gebühren im Mobilfunkbereich. Damit haben Reisende seither die Möglichkeit, ohne Zusatzkosten im EU-Ausland mobil zu telefonieren, SMS zu schreiben und im Internet zu surfen.

ZEITUMSTELLUNG

Im heurigen Frühjahr hat sich eine große Mehrheit der Abgeordneten für ein Ende der Zeitumstellung ausgesprochen. Der halbjährliche Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit soll bis Ende 2021 abgeschafft werden. Das letzte Wort haben freilich die EU-Staaten, die sich auf die Art der Umsetzung erst einigen müssen. Österreich spricht sich für die permanente Sommerzeit aus.

KLIMA- UND UMWELTSCHUTZ

Mit seiner Zustimmung zum Pariser Abkommen hat das EU-Parlament 2016 den Weg für das Inkrafttreten des Weltklimavertrags geebnet. Zwei Jahre später sprach sich das Haus für Änderungen des Emissionshandels aus mit dem Ziel, den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen für Unternehmen teurer zu machen und die Emissionen damit in der EU zu reduzieren.

Gegen Ende der Legislaturperiode wurden außerdem strengere CO2-Ziele für Autos und Lastwagen beschlossen. Der Ausstoß bei neuen Pkw muss bis 2030 um 37,5 Prozent gegenüber 2021 reduziert werden, bei neuen Lastwagen sind es 30 Prozent. Abgesegnet wurde außerdem das Verbot von Einwegplastik. Spätestens 2021 müssen Produkte wie Strohhalme, Teller und Wattestäbchen aus Einwegkunststoff durch umweltfreundlichere Artikel ersetzt werden.

GLYPHOSAT

Nicht voll durchsetzen konnte sich das Parlament in der Debatte um das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Die Abgeordneten votierten für ein komplettes Aus ab Ende 2022, die EU-Staaten beschlossen allerdings eine fünfjährige Verlängerung ohne anschließendes Verbot. Daraufhin richtete das Parlament einen Sonderausschuss ein, der sowohl die Hintergründe der erneuten Glyphosat-Zulassung sowie der Genehmigung anderer Pestizide beleuchten soll.

HANDELSABKOMMEN

Das Parlament hat in der auslaufenden Periode gleich zwei wichtige Handelsabkommen gebilligt. Einerseits wurde der EU-Japan-Pakt (EPA) Mitte Dezember 2018 angenommen, der den Abbau beinahe aller Zölle auf Waren beinhaltet. Das größte jemals ausgehandelte Handelsabkommen, das rund ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung umfasst, trat mit Anfang Februar in Kraft. Andererseits gaben die Mandatare schon eineinhalb Jahre vorher grünes Licht für das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA). Damit der gesamte Vertrag in Kraft treten kann, müssen allerdings alle EU-Staaten zustimmen.

Eine Abfuhr erteilte das Abgeordnetenhaus diesen März indes der Wiederaufnahme von Handelsgesprächen mit den USA. Das noch unter Barack Obama geplante TTIP-Abkommen, das vom Parlament unterstützt worden war, wurde unter der Regierung Trump auf Eis gelegt.

DATENSCHUTZ / DATENSPEICHERUNG

Im Frühjahr 2016 stimmte das Parlament nach jahrelangem Ringen mit den EU-Staaten der europäischen Datenschutzgrundverordnung zu, die zwei Jahre später in Kraft trat und u.a. vorschreibt, dass Unternehmen Daten von Betroffenen nicht ohne deren ausdrückliche Zustimmung weitergeben oder für andere Zwecke nutzen. Für fleißiges Datensammeln sprachen sich die Abgeordneten indes in puncto Flugverkehr aus. Zwecks Terrorismusbekämpfung votierte die Abgeordneten für eine Verpflichtung der europäischen Luftfahrtgesellschaften, den EU-Ländern ihre Fluggastdatensätze zu überlassen.

In Sachen Datenmissbrauch wiederum musste Facebook-Chef Mark Zuckerberg den Fraktionsvorsitzenden im Vorjahr Rede und Antwort stehen, nachdem bekannt geworden war, dass sich die britische Firma Cambridge Analytica im US-Wahlkampf unerlaubt Zugang zu Daten von Millionen Facebook-Nutzern verschafft hatte.

STEUERFLUCHT

Das Parlament machte sich für einen entschiedeneren Kampf gegen Steuerhinterziehung und Finanzkriminalität stark. Im Gefolge von Enthüllungen um Steueroasen, die im Zuge von Enthüllungen (Luxleaks, Panama Papers, Paradise Papers) bekannt geworden waren, setzte das Plenum einen Sonderausschuss ein. Im Abschlussbericht wurde u.a. eine europäische Finanzpolizei gefordert.

DRUCK AUF EINZELNE EU-STAATEN

Im September 2018 leitete das Abgeordnetenhaus ein Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn wegen schwerwiegender Verletzungen der Demokratie und der europäischen Werte ein. Anders als ein Jahr zuvor, als ein Verfahren gegen Polen von der EU-Kommission auf den Weg gebracht worden war, wurde in diesem Fall das Parlament aktiv. Malta und der Slowakei wurde erst im heurigen März ebenfalls mit einem Verfahren gedroht. Hintergrund sind die Morde an zwei investigativen Journalisten, die über Korruptionsfälle mit Verwicklung von Regierungsvertretern recherchiert haben. Auch Rumänien steht wegen seiner Justizreformen in der Kritik.

TÜRKEI

Auch gegenüber der Türkei versuchte das Parlament Zähne zu zeigen. Das Plenum sprach sich in dieser Legislaturperiode wiederholt für das Aussetzen bzw. die Einstellung der Beitrittsverhandlungen aus. Die zunehmend problematischen Entwicklungen im Land - etwa in puncto Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit der Justiz - wurden ins Treffen geführt. Rat und Kommission lehnten ein Ende der Gespräche bisher ab.

FLÜCHTLINGE

Wiederholt und ebenfalls mit wenig Erfolg drängte die Volksvertretung an der Seite der Kommission auf eine verpflichtende Verteilungsquote von Flüchtlingen im Windschatten der großen Fluchtbewegung von 2015. Die Forderung erwies sich ob des Widerstands vor allem osteuropäischer Länder aber als nicht umsetzbar.

INTERNA

Neben Debatten und Beschlüssen war das EU-Parlament in den vergangenen fünf Jahren auch mit gewissermaßen internen Angelegenheiten beschäftigt - beispielsweise mit Personalia: Zu Beginn des Jahres 2017 legte Parlamentspräsident Martin Schulz sein Amt zurück, da er nach Deutschland zurückwechselte und dort bei der Bundestagswahl als Kanzlerkandidat für die Sozialdemokraten antrat - und kläglich scheiterte. Schulz‘ Nachfolge als oberster Parlamentarier trat der Italiener Antonio Tajani aus den Reihen der Konservativen an.

Einige Monate später schwappte die weltweite #MeToo-Debatte auch in die Büros des Europaparlaments und daraufhin in die Schlagzeilen. Parlamentsmitarbeiterinnen berichteten im Oktober 2017 von sexuellen Übergriffen und veröffentlichten diese unter dem Hashtag #MeTooEP auf einem eigenen Blog im Internet. Dort gehen immer noch Einträge ein. Forderungen nach der Einsetzung einer externen Expertengruppe und nach verpflichtenden Trainings für Abgeordnete zum Thema Sexuelle Belästigung wurden bisher nicht umgesetzt.

Einigermaßen unter Schock standen die Abgeordneten im Dezember des Vorjahres, als während einer Plenarwoche ein Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg verübt wurde. Das Plenum setzte seine Arbeit trotzallem fort. Präsident Tajani selbst twitterte, das Parlament werde sich „von Anschlägen von Terroristen oder Kriminellen nicht einschüchtern lassen“. Aus Sicherheitsgründen durften Abgeordnete und Mitarbeiter das Parlament erst in den frühen Morgenstunden verlassen.