EU-Wahl: Die Vorzugsstimmen - und das ÖVP-Modell

Wien (APA) - Die Vorzugsstimmen können wie bei anderen Urnengängen auch bei der EU-Wahl ausschlaggebend dafür sein, ob ein Kandidat ein Mand...

Wien (APA) - Die Vorzugsstimmen können wie bei anderen Urnengängen auch bei der EU-Wahl ausschlaggebend dafür sein, ob ein Kandidat ein Mandat ergattert oder nicht. Geregelt ist das Prozedere in der Europawahlordnung. Einzig die ÖVP hat sich ein eigenes Modell verpasst.

Anders als bei der Nationalratswahl existiert bei der EU-Wahl nur ein Wahlkreis, somit gibt es weder auf Regional- noch auf Landebene Kandidaten, sondern nur eine Bundesliste pro wahlwerbender Gruppe. Die gesetzliche Hürde bei den Vorzugsstimmen liegt bei fünf Prozent der Wähler einer Partei. Wenn diese den Kandidaten unterstützen, wird er auf Platz eins gereiht. Überspringen mehrere diese Hürde, geht es nach der absoluten Zahl.

Aus der Reihe tanzt die Volkspartei mit ihrem Modell, bei dem sich die Reihung rein nach den erreichten Vorzugsstimmen richtet. Rechtliche Grundlage dafür gibt es keine. Vielmehr mussten sich die Kandidaten dazu verpflichten - und schon im Vorhinein Blanko-Mandatsverzichtserklärungen unterschreiben. Die Volkspartei hatte bereits bei der Nationalratswahl 2013 und 2017 eine geringere Hürde für Vorzugsstimmen festgelegt.

Die ÖVP-Kandidaten müssen daher für „ihre Stimmen laufen“ und werden dabei mehr oder weniger von „ihren“ Bünden oder Ländern unterstützt. Zentrale Kandidatin des Wirtschaftsbundes ist Listendritte Angelika Winzig, die auch auf die Unterstützung der oberösterreichischen ÖVP zählen kann. Für den Bauernbund und die Steiermark geht Listenvierte Simone Schmiedtbauer ins interne ÖVP-Rennen, Lukas Mandl (Listenplatz 5) für Niederösterreich und den AAB, Wolfram Pirchner (Listenplatz 6) für den Seniorenbund und der Vorarlberger Christian Zoll (Listenplatz 9) für die JVP.

Die Bestmarke bei den EU-Vorzugsstimmen lieferte gleich in der ersten Wahl 1996 - also Österreich noch alleine „außer der Reihe“ wählte - die ehemalige ZiB-Moderatorin und jetzige nicht amtsführende Wiener FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel (ÖVP) mit 168.078.

In den Urnengängen seit 1999 - als die Österreicher gemeinsam mit allen Europäern zu den Urnen schritten -, war Othmar Karas der Vorzugsstimmenkaiser: 2009 holte er sich 112.954 - weil er einen Persönlichkeitswahlkampf gegen den vom damaligen Parteichef Josef Pröll an der Spitze installierten Ex-Innenminister Ernst Strasser führte. Fünf Jahre später waren es immer noch 82.875 Vorzugsstimmen, die der Niederösterreicher einsammeln konnte. Auf Platz drei liegt die nunmehrige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, die bei der EU-Wahl 2014 58.893 Stimmen auf sich vereinigen konnte. Auf Platz 4 der Wahlen seit 1999 liegt Stenzel mit 48.049 Vorzugsstimmen bei ihrem zweiten Antritt.

Als erster nicht ÖVPler scheint Eugen Freund auf der Bestenliste auf, der beim Urnengang vor fünf Jahren als SPÖ-Kandidat 45.989 Vorzugsstimmen holte. Platz 6 und 7 gehen wieder an die Volkspartei (2009: Köstinger 44.238, 2009: Ernst Strasser 38.326). Mit Ulrike Lunacek scheint die erste Grüne auf dem achten Platz auf. Sie holte 2014 36.120 Vorzugsstimmen. Dahinter gleich zweimal Johannes Voggenhuber (früher Grüne, aktuell EUROPA Jetzt) mit 33.280 (2009) und 30.459 (2004). Auf den Plätzen 11 und 12 finden sich Josef Weidenholzer (SPÖ, 2014, 28.336) und Hans Peter Martin (MARTIN, 2009, 23.736). Mit Daniela Raschhofer (1999, 23.400) und Andreas Mölzer (2004, 21.980) tauchen die ersten beiden Freiheitlichen auf der Vorzugsstimmen-Bestenliste 1999-2014 auf den Plätzen 14 und 15 auf. Das beste Ergebnis für die NEOS erzielte bei den Vorzugsstimmen Angelika Milnar 2014 mit 12.604.

Die Auswirkungen der gesetzlichen Vorzugsstimmen-Hürde blieben bisher überschaubar. Nur einmal schickten die Vorzugsstimmen-Wähler einen anderen als den von der Partei vorgesehenen Kandidaten ins EU-Parlament: 2004 nahm der auf Platz 3 gereihte Andreas Mölzer mit 21.980 Vorzugsstimmen dem Spitzenkandidaten Hans Kronberger das einzige FPÖ-Mandat ab - obwohl damals noch sieben Prozent der Parteistimmen nötig waren.

Die 7er-Hürde schaffte 2004 auch der Grüne Johannes Voggenhuber, der aber ohnehin auf Platz 1 stand. Karas (dem mit Platz 2 das Mandat auch sicher war) erreichte 2009 ebenfalls sieben Prozent der Parteistimmen und wurde vor Ernst Strasser auf Platz 1 gesetzt. Auch die niedrigere Vorzugsstimmenhürde von fünf Prozent der Parteistimmen brachte 2014 keine Umreihung, die Mandate wurden nach den von den Parteien erstellten Listen vergeben.