Filmfestival Cannes - Krimis im Wettbewerb: Töten, rennen und pfeifen

Cannes (APA) - Zwei Krimis aus China und Rumänien haben die Todesrate im Wettbewerb des Filmfestivals in Cannes stark erhöht. Gegen Filme, d...

Cannes (APA) - Zwei Krimis aus China und Rumänien haben die Todesrate im Wettbewerb des Filmfestivals in Cannes stark erhöht. Gegen Filme, die von großen ästhetischen Ambitionen (Jessica Hausner), politischem Engagement (Ken Loach) oder persönlicher Betroffenheit (Pedro Almodovar) gezeichnet sind, orientieren sich die Arbeiten von Diao Yinan und von Corneliu Porumboiu deutlich mehr an Genre-Konventionen.

In beiden Filmen heißt das Motto: „Take the money and run“. Es geht um viel Geld, um das sich die Guten, die Bösen und die vielen, die beides sind, wilde Jagden liefern, und um eine schöne Frau, die schließlich davon profitiert. Während der 50-jährige Diao Yinan in „The Wild Goose Lake“ die Metier-Vorgaben lückenlos bedient und vor allem auf glattpolierte Oberfläche und einen gut komponierten Rhythmus zwischen den vielen Verfolgungsjagden setzt, baut der 53-jährige Rumäne Corneliu Porumboiu in „La Gomera“ einen ganz ungewöhnlichen Twist in seinen Film ein: eine Pfeifsprache, mit der die eine Gruppe von Gangstern ein quasi abhörsicheres Kommunikationssystem aufbaut.

Daheim, in Rumänien, wird nämlich alles überwacht. Auch in der Wohnung des Kriminalpolizisten Cristi (Vlad Ivanov mit stets unbewegter Mimik) stecken die Kameras fast hinter jedem Bild und jedem Spiegel. Das beschert dem ihn überwachenden Kollegen im Videoraum eine heiße Stunde, da der schöne Lockvogel Gilda (Catrinel Marlon als vollkurvige südländische Schönheit) sich sehr uns Zeug legt, ihn zu einem Doppelspiel zu überreden: Er soll helfen, den Kriminellen Zsolt zu befreien, der als einziger weiß, wo 30 Millionen Euro versteckt sind.

Cristi wird nach La Gomera ins Bandenhauptquartier geflogen, wo er eine hier seit Jahrhunderten praktizierte, fast vergessene Pfeifsprache lernen soll. Die Sprach-Lektionen zählen zum Vergnüglichsten in einem Film, der auch für Filmzitate-Sucher viel zu bieten hat. Porumboiu scheut keine Gelegenheit, andere Filme einzubauen oder auf sie anzuspielen. Sogar der neue Besitzer eines düsteren Motels nähert sich bald mit erhobenem Messer einem Duschvorhang, als wäre gerade ein Reenactment von „Psycho“ im Gange.

Am „Wild Goose Lake“ will das Geld erst verdient sein. Denn auf den Anführer einer auf Motorrad-Diebstahl spezialisierten Bande ist ein hohes Kopfgeld ausgesetzt, nachdem er bei einem brutalen Banden-Wettkampf um die Vorherrschaft in einem besonders begehrten Viertel einen Polizisten erschossen hat. Dass die anschließende Lagebesprechung der Polizei samt Sektorenaufteilung dem Treffen der Gangster aufs Haar gleicht, ist eine von ein paar witzigen Szenen in einem ansonsten auf Tempo gedrillten und Brutalität nicht scheuenden Film mit Hu Ge in der Hauptrolle. Am Ende teilen sich die Witwe des Gangsters und eine schöne Doppelspielerin das Geld. Im Kritiker-Ranking liegt der Film nicht schlecht im Rennen - aber wenn man aus ihm etwas lernen kann, dann das: Abgerechnet wird erst ganz zum Schluss.