Kiew setzt Mitarbeit unter Europarats-Parlamentariern aus

Aus Protest gegen die Rückkehr der russischen Delegation in die Parlamentarische Versammlung des Europarats setzt die Ukraine ihre Mitarbeit in dem Gremium aus. Das teilte der Leiter der ukrainischen Delegation, Wolodymir Ariew, am Dienstag auf Facebook mit. Zuvor hatte die Versammlung nach heftigen Debatten den Weg für eine Rückkehr der Russen geebnet.

Die 2014 beschlossenen Sanktionen wurden mit deutlicher Mehrheit aufgehoben - gegen den heftigen Widerstand vor allem der Ukrainer. Der Beschluss erfolgte nach stundenlangen, heftigen Debatten. Der Text wurde schließlich mit 118 zu 62 Stimmen angenommen. Zehn Abgeordnete enthielten sich der Stimme.

Als Reaktion auf die Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim hatte die Parlamentarische Versammlung Russland vor fünf Jahren das Stimmrecht und andere Rechte aberkannt. Moskau hatte darauf mit einem Boykott der Versammlung reagiert und keine Delegation mehr geschickt. 2017 stellte Russland außerdem die Beitragszahlungen an den Europarat ein. Laut Satzung droht einem Land der Ausschluss, wenn es zwei Jahre lang keine Beiträge gezahlt hat.

Um dies zu verhindern änderte die Parlamentarier-Versammlung nun ihre Geschäftsordnung - ungeachtet heftiger Proteste vor allem von ukrainischen Abgeordneten. Laut Neuregelung können die Abgeordneten künftig nicht mehr einseitig Sanktionen verhängen, sondern nur in Absprache mit dem Ministerkomitee, dem die Außenminister der 47 Europarats-Länder angehören.

Mehrere ukrainische Abgeordnete fochten erwartungsgemäß die Anerkennung der russischen Abgeordneten an. Sie verwiesen unter anderem auf die völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und der georgischen Regionen Südossetien und Abchasien im Jahre 2008 durch Russland. Außerdem machten sie geltend, dass fünf Mitglieder der russischen Delegation auf schwarzen Listen der EU, der USA und Kanadas stehen. Die Versammlung beauftragte den Geschäftsordnungsausschuss, die Anfechtungen zu überprüfen.

Der Ausschuss solle seine Stellungnahme binnen 24 Stunden vorlegen, sagte die Präsidentin der Versammlung, Liliane Maury Pasquier. Bis dahin hätten die russischen Abgeordneten die gleichen Rechte, wie alle Mitglieder. Sie können demnach am Mittwoch an der Wahl eines neuen Generalsekretärs der paneuropäischen Organisation teilnehmen. Dies war eine der zentralen Forderungen Moskaus. Das Mandat des bisherigen Generalsekretärs, Thorbjörn Jagland, geht im September zu Ende. Um seine Nachfolge bewerben sich der belgische Außenminister und Vize-Regierungschef Didier Reynders und dessen kroatische Kollegin Marija Pejcinovic Buric.

Die baltischen Staaten kritisierten in deutlichen Worten die Rückgabe des Stimmrechts an Russland. Die Entscheidung, Moskau mit Hilfe prozeduraler Schritte wieder an den Tisch zu manövrieren, sei eine Peinlichkeit, schrieb Estland Staatspräsidentin Kersti Kaljulaid auf Twitter. „Keiner der Gründe, weshalb Russland das Stimmrecht entzogen wurde, ist verschwunden“, so Kaljulaid. Litauens Außenminister Linas Linkevicius sprach von einem „schweren Schlag für die Glaubwürdigkeit des Europarats“. Sein lettischer Amtskollege Edgars Rinkevics nannte die Entscheidung eine „bedauerliche und enttäuschende Resolution“.

De facto erhalten die 18 russischen Mitglieder in der Versammlung damit ihre Stimmrechte zurück, rechtzeitig vor der am Mittwoch geplanten Wahl eines neuen Generalsekretärs des Europarats. Moskau hatte wiederholt mit einem Austritt aus dem Europarat für den Fall gedroht, dass die Sanktionen gegen die russische Delegation aufrechterhalten bleiben. 18 Abgeordnete der Duma sowie des Föderationsrats hinterlegten am Dienstag in Straßburg ihre Beglaubigungsschreiben, wie eine Sprecherin der Versammlung mitteilte.

Der Europarat mit Sitz im französischen Straßburg ist die größte Staatenorganisation auf dem europäischen Kontinent. Gegründet vor 70 Jahren, versammelt sie 47 Mitgliedsstaaten. Gemeinsam mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kümmert sich der Europarat um die Einhaltung der Menschenrechte von rund 830 Millionen Bürgern in den Mitgliedsländern.