Wifo und IHS kritisieren Ho-Ruck-Beschlüsse wie zur Pflege

Kritik an überhasteten Parlamentsbeschlüssen und auch an einer Schlagwort-Politik ohne Klärung der Kostendeckung haben am Donnerstag die Leiter von Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), Christoph Badelt, und Institut für Höhere Studien (IHS), Martin Kocher, geübt. Als Paradebeispiel nannten beide das Pflege-Thema - den Pflegegeld-Valorisierungsbeschluss, aber auch nicht zu Ende gedachte Konzepte.

Die Pflege sei „ein ideales Beispiel, wie es nicht laufen soll“, übte Badelt bei der Konjunkturprognosevorlage ausdrücklich „Kritik an allen Gruppen“. Man höre „nur Schlagworte“, „aber wie die Pflege finanziert werden soll, sagt man nicht“. „Was heißt ‚aus dem Budget?‘“, meinte der Wifo-Chef und wünscht sich: „Bitte hört‘s auf mit dieser Art von Diskussion.“

Rasch habe man sich auf die Anhebung des Pflegegeldes geeinigt, „das erinnert mich an die Abschaffung des Pflegeregresses“, monierte Badelt. Man solle „nicht kurzfristig etwas beschließen, von dem man glaubt, dass es populär ist“. Es seien nicht die 58 Mio. Euro, die den Staat „umbringen“ würden. Aber das Geld sei „nicht g‘scheit ausgegeben“, wisse man doch noch gar nicht, wie das Gesamtpaket zur Pflege aussehen werde, dass im Herbst beschlossen werden solle. „Vielleicht wird da das Pflegegeld eine neue Rolle bekommen.“ Badelt: „Für dieses halbe Jahr sind mir auch die 58 Mio. Euro zu viel.“ Für IHS-Leiter Kocher ist die Pflege ein negatives „Paradebeispiel“. Für ihn ist es derzeit „schwierig zu sehen, was wirklich am Tisch liegt im Parlament“.

Die „Begehrlichkeiten des Parlaments“ sieht der Wifo-Chef durch die Überschüsse im Staatshaushalt geweckt - fügt aber gleich hinzu: „Da möchte ich schon davor warnen.“ Denn man müsse sich etwa darauf vorbereiten, dass Maßnahmen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik zu setzen sein würden und dem Fachkräftemangel gegengesteuert werden müsse. Man werde also Geld für Humankapital benötigen, mit Blick auf Arbeitskräfte mittleren Alters.

Das einzige, was Wifo-Leiter Badelt vorziehen würde, „wenn man schon etwas beschließen muss“, wäre die geplante Absenkung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung für Geringverdiener. Denn zu diesem Teil der ersten Etappe der Steuerreform seien sich „alle einig“ gewesen, „das könnte man allenfalls vorziehen“ - es würde auch konjunkturell helfen. Ansonsten lautet die Konklusio für den Wifo-Chef: „Jetzt halt‘s euch bitte zurück und geht‘s lieber auf Urlaub.“

Als „eines der brennendsten Themen“ sieht Badelt die Umwelt an, hier werde es - etwa im Zusammenhang mit der Steuerreform - „nicht ohne unangenehme Maßnahmen“ gehen, etwa was ein Aus für bestimmte Subventionen bedeute. Er erinnerte auch daran, dass ihm an den Steuerreform-Plänen der früheren Regierung lediglich die Ökologisierung gefehlt habe.

IHS-Leiter Kocher nannte als Öko-Steuerreformbeispiele eine Verteuerung von ressourcenverbrauchendem Verhalten und den Abbau von Subventionen, die umweltschädlich sind - etwa bezüglich Dieselprivileg, Kerosinsteuerfreiheit, CO2-Steuer oder Pendlerpauschale. Eigentlich wäre das Pendlerpauschale umweltpolitisch zu reduzieren, meinte Badelt, doch treffe das eher Geringverdiener und die ländliche Bevölkerung: „Denken Sie an die Gelbwesten in Frankreich.“ Deshalb sollte man sich schon jetzt kompensierende Maßnahmen für jene überlegen, die von Kürzungen beim Pendlerpauschale betroffen sein könnten.