EU-Gipfel bisher ohne Lösung bei Suche nach Topjobs
Der EU-Gipfel zur Neubesetzung europäischer Spitzenposten muss in die Verlängerung: Ratspräsident Donald Tusk vertagte die Beratungen nach einer erfolglosen nächtlichen Marathonsitzung der Staats- und Regierungschefs auf Dienstag 11.00 Uhr. Für die Nachfolge von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war zuletzt der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans im Gespräch.
Der CSU-Politiker Manfred Weber wurde als Parlamentspräsident gehandelt. Aus dem Spiel dürfte dagegen bereits die bulgarische Weltbank-Chefin Kristalina Georgiewa sein. Als EU-Außenbeauftragter war zuletzt der belgische liberale Premier Charles Michel genannt worden. Die Entscheidung über den Posten des neuen EZB-Präsidenten sei auf später verschoben worden.
Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich nach den rund 18-stündigen Beratungen in Brüssel vorsichtig optimistisch, dass am Dienstag noch ein Kompromiss machbar sei. „Gut Ding will Weile haben“, betonte sie. Merkel räumte aber ein, dass die Beratungen „kompliziert“ seien.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach von einer „Niederlage, weil kein Ergebnis gefunden wurde“. Die EU-Staaten gäben „ein Bild von Europa ab, das nicht seriös ist“, bilanzierte er. Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte sagte, die Lage bleibe „sehr vage“. Am Dienstag müssten die Staats- und Regierungschefs „eine alternative Lösung suchen“.
Österreichs Kanzlerin Brigitte Bierlein hofft auf einen Abschluss am Dienstag. Teileinigungen habe es bisher keine gegeben. Als Grund für die Unterbrechung nannte sie die nicht erzielte Ausgewogenheit des Personalpakets. Dabei nannte Bierlein als Bedingungen geografische und gendermäßige Ausgewogenheit sowie Mehrheitsfähigkeit unter Berücksichtigung der Wahlergebnisse.
Die EU-Staaten müssen ein Paket aus mehreren Personalien schnüren, das einen Ausgleich zwischen parteipolitischen und Regionalinteressen schafft. Auf die Nachfolge Junckers an der Kommissionsspitze hatte ursprünglich der konservative Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) Anspruch erhoben, dessen Europäische Volkspartei (EVP) bei der EU-Wahl im Mai erneut stärkste Kraft geworden war. Er hatte aber bei einem Gipfel vor zehn Tagen keine ausreichende Unterstützung erhalten. Insbesondere Macron hielt ihn wegen fehlender Regierungserfahrung nicht für die Juncker-Nachfolge geeignet.
Für Timmermans als Kommissionschef gebe es „einen starken Konsens, aber die Situation ist sehr im Fluss“, sagte ein EU-Diplomat. Massiven Widerstand gab es aus mehreren osteuropäischen Staaten.
Insbesondere Ungarn und Polen, gegen die unter dem bisherigen Juncker-Stellvertreter von der EU-Kommission Strafverfahren wegen der Verletzung der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet wurden, stellten sich quer. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sprach sich direkt gegen den Sozialdemokraten Frans Timmermans als Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten aus. Die Visegrád-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei seien entschieden gegen eine Kandidatur des Niederländers, sagte Morawiecki am Montag.
Morawiecki vertrat die Ansicht, die EU brauche neue Gesichter, neue Ideen und eine neue Art, Konflikte zu lösen. „Uns geht es darum, dass die Menschen, die in die Ämter gewählt werden, garantieren, dass sie vereinen und nicht attackieren werden.“ Auch Italien hatte Vorbehalte geltend gemacht. „Wir sind nicht gegen Timmermans“, betonte Conte nun. Es gehe aber um ein Gesamtpaket.
„Man muss auch überlegen, ob man große Länder, große Mitgliedstaaten einfach überstimmt“, sagte Merkel und nannte explizit Italien. Denn alle Seiten wollten „ja weitere fünf Jahre miteinander zusammenarbeiten“ und dies nicht unter dem Eindruck von Spannungen wegen des Personalpakets tun.
Schon der Beginn des Gipfels hatte sich wegen einer Reihe von Vorgesprächen um dreieinhalb Stunden verzögert und begann offiziell erst am Sonntagabend um 21.30 Uhr. Danach wurde der Gipfel mehrfach für Sondierungen durch EU-Ratspräsident Tusk unterbrochen.