Zwei Langstreckenläufer aus Passion
Nach 34 Jahren, in denen sich Günther Dankl um das Zeitgenössische im Tiroler Landesmuseum gekümmert hat, folgt dem Tiroler Kunsthistoriker der deutsche Kunstvermittler Florian Waldvogel nach.
Sie sind seit 34 Jahren im Haus, Ihr Nachfolger seit vier Wochen. Was geben Sie ihm mit auf den Weg?
Günther Dankl: Ratschläge zu geben ist nicht meine Sache. Ich glaube, dass mein Nachfolger ganz genau weiß, was er vorhat. Aber ich würde mich natürlich freuen, wenn die zeitgenössische Kunst auch in Zukunft einen zentralen Platz im Tiroler Landesmuseum einnehmen würde.
Wie man hört, schauen Sie sich im Moment sehr intensiv in der lokalen Kunstszene um. Wie ist Ihr diesbezüglicher Befund?
Florian Waldvogel: Innsbruck bzw. Tirol hat für die Größe der Stadt bzw. des Landes eine erstaunlich vitale Szene. Es gibt eine Reihe großartiger Galerien für den zeitgenössischen Bereich als auch für den der klassischen Moderne. Und mit der Tiroler Künstlerschaft gibt es außerdem einen Verein, der sehr viel im Bereich des Zeitgenössischen tut. Nicht zu vergessen die Kunsthalle Tirol im Taxispalais, wo virulente Themen von heute meiner Meinung nach sehr klug aufbereitet werden.
Was in Innsbruck fehlt, ist ein Museum für zeitgenössische Kunst. Kann ein Universalmuseum wie das Ferdinandeum dieses Manko auffangen?
Waldvogel: Wie man sieht, hat Günther Dankl das Fehlen eines eigenen Hauses für die Moderne durch seine Arbeit wettzumachen versucht und das habe ich vor, auf meine Art und Weise fortzusetzen. Verbunden mit der Hoffnung, dass wir nach dem Umbau des Museums größere Möglichkeiten für die Präsentation des Zeitgenössischen bekommen.
Wie schwierig war es für Sie, die Kunst von heute im Museum zu implementieren?
Dankl: Mein Herzenswunsch, dass in Innsbruck ein Haus der Moderne entsteht, ist trotz mehrerer Anläufe aus den unterschiedlichsten Gründen gescheitert. Mit der Konsequenz, dass das Landesmuseum zwar sehr viel Hochkarätiges an zeitgenössischer Kunst im Depot hortet, das aus Platzgründen aber nicht zeigen kann. Auch ich hoffe diesbezüglich auf die Zeit nach dem Umbau.
Wie war Ihr Sammelansatz?
Dankl: Darauf, dass eine Sammlung entstanden ist, die sich überregional sehen lassen kann, bin ich wirklich stolz. Was nur möglich war, weil sich auch das Land zur Sammlung bekannt hat und die Ankaufsjurys jeweils neu zusammengesetzt waren. Wodurch sich die Kriterien ständig gewandelt haben und eine inhaltlich wie formal sehr breite Sammlung zustandekommen konnte. Während es anfangs eher um die Vervollständigung bestehender Tiroler Positionen durch österreichische bzw. internationale gegangen ist, wechselten die Schwerpunkte in den vergangenen Jahren immer wieder, lagen einmal mehr auf der Malerei, dann wieder auf dem Installativen, oder – zuletzt – auf feministischen Positionen.
Haben Sie schon eine Ahnung, um was es in Ihrer ersten Ausstellung im Landesmuseum gehen wird?
Waldvogel: Gute Frage. Ich würde mir eine Ausstellung wünschen, die Positionen vorstellt, die ich in der musealen Sammlung vermisse. Ich könnte mir zum Einstand also eine Ausstellung der Wünsche sehr gut vorstellen.
Wobei, wenn man sich anschaut, was Sie bisher beruflich getan haben, würde ich Sie eher als Leiter einer Kunsthalle als musealen Kurator sehen.
Waldvogel: Der Eindruck mag täuschen. Mir ging es als Ausstellungsmacher immer um den sozialpolitischen Kontext der jeweiligen Institution.
Sie schielen also nicht auf die Taxisgalerie, die dem Landesmuseum einzugliedern ja immer wieder angedacht wird?
Waldvogel: Ich finde es wichtig, dass sich die einzelnen Institutionen als komplementäre Partner definieren. Wir Museumsmenschen sind eher die Langstreckenläufer, während es in Kunsthallen um Sprints geht. Wenn es etwa darum geht, spontan auf aktuelle gesellschaftspolitische Themen zu reagieren.
Dankl: Bei den Überlegungen kann es wohl nur um eine administrative Zusammenarbeit gehen, denn programmatisch muss die Taxisgalerie unbedingt selbstständig bleiben.
Sie wollten eigentlich Künstler werden, sind dann aber auf die Kunstvermittlung umgeschwenkt. Warum?
Waldvogel: Weil ich relativ bald gesehen habe, dass ich in meiner eigenen Arbeit immer wieder die Künstler gefunden habe, mit denen ich mich gerade beschäftige. Und das zu überwinden, war für mich ein zu großes Limit.
Das Tiroler Landesmuseum kämpft um Besucher, besonders um junge. Wie wollen Sie es anlegen, das Haus zu einem auch für sie spannenden Ort zu machen?
Waldvogel: Das hängt wesentlich von der programmatischen Ausrichtung des Hauses durch den neuen Direktor ab. Aber die Entwicklung neuer Formate wird sicher wichtig sein.
Was ist für Sie die Aufgabe von Kunst? Soll sie eher verstören oder unterhalten?
Waldvogel: Das Museum ist im Idealfall der Spiegel der Gesellschaft. Da werden Dinge thematisiert, die eigentlich jeden von uns angehen. Egal, ob es um Historisches oder Zeitgenössisches geht. Man sollte allerdings aus einem Museum nicht mit mehr Fragen hinausgehen, als man hineingegangen ist. Der aufgeworfene Diskurs sollte nicht zu abgehoben sein.
Stört es Sie, dass Sie sozusagen „nur“ zweite Wahl sind, zum Zug gekommen sind, weil die Erstgereihte, Ina Dinter, abgesagt hat?
Waldvogel: Ne, ich war in den letzten Jahren schon oft Zweiter.
Sie waren u. a. Direktor des Kunstvereins Hamburg, Co-Kurator der Manifesta 6 in Nicosia und Kurator am Museum Witte de With in Rotterdam. Was reizt Sie als international umtriebigen Ausstellungsmacher an einem überregional nicht wirklich bedeutenden Haus wie dem Tiroler Landesmuseum?
Waldvogel: Ich fände generell eine größere personelle Fluktuation im Ausstellungsbetrieb wichtig. Die Befristung von Kuratorenstellen etwa auf zehn Jahre. Aber angesichts dessen, was sich künstlerisch hier tut, ist Innsbruck für mich alles andere als verschlafene Provinz.
Sie werden uns als freier Kurator erhalten bleiben. Etwa als künstlerischer Leiter des Schwazer Rabalderhauses.
Dankl: Das ist eine sehr schöne Aufgabe. Ich möchte hier eine kreative Mischung aus jungen und etablierten Positionen präsentieren. Mein Ziel wäre es auch, spannende Kooperationen mit anderen Kunstorten, etwa der Galerie der Stadt Schwaz, einzugehen.
Das Interview führte Edith Schlocker