Bühne

Opernkino mit Kitschfinale

Edmund Telgenkämpfer als Z in Minas Bordoudakis’ gleichnamiger Oper, die am Montag in München zur deutschen Erstaufführung kam.
© Wilfried Hösl

Minas Borboudakis’ Musiktheater „Z“ bei den Münchner Opernfestspielen.

Von Jörn Florian Fuchs

München –Da sage noch einer, zeitgenössische Tonsetzer seien zu wenig politisch! Minas Borboudakis, gebürtiger Grieche, jedoch seit seinem Münchner Kompositionsstudium der Isarmetropole sehr verbunden, veroperte den vor allem durch Costa-Gavras meisterhafte Verfilmung bekannten Reißer „Z“. Es geht um die (wahre) Geschichte des linken Oppositionspolitikers Grigoris Lambrakis, der 1963 ermordet wurde.

Wie werden Massen aufgehetzt? Wie behauptet sich ein Pazifist in einem überhitzten gesellschaftlichen Klima? Bleibt etwas Gutes, Zukunftsweisendes, strahlt „Z“ als Vorbild (bis) in unsere Zeit? Diese Fragen verhandelt das gut zweieinhalbstündige Stück in einer Mischung aus sehr abstrakten Szenen und dann wieder die Kitschgrenze übersteigenden Momenten.

Regisseur Kevin Barz packt die Handlung gleichsam mitten ins Publikum, gespielt wird auf oder neben einem langen Steg, an den Seiten sitzen die Zuschauer, direkt neben Straßenlaternen oder einem Hotelschild. Die Spielorte sind lediglich angedeutet, Barz konzentriert sich ganz auf Gesten, Licht und Schatten.

Borboudakis unterlegt die mal gesprochenen, mal mittelexpressiv gesungenen Texte oft mit pochendem Schlagwerk, schrillem, hohem Blech oder E-Gitarren-Sounds. Bisweilen „sprechen“ die Instrumente höchst selbst, sie wimmern, stöhnen, drohen. Der Steg, dazu mehrere Gazevorhänge, das meist abstrakte Spiel, alles passt zum Titel „Festspiel-Werkstatt“, dem Off-Programm der Opernfestspiele.

Die Musiker (unter Leitung des Komponisten) sind auf der Bühne positioniert, man kann sie beim Klängeproduzieren genau beobachten.

Besetzt ist das Ganze prima, Edmund Telgenkämper brilliert als Z (eine Sprechrolle), dazu kommen Gesangs-Kapazunder wie Simon Bailey oder Joshua Owen Mills.

Eine gute Stunde geht die Sache gut, dann ist Pause, es folgt – leider – der zweite, deutlich längere und langatmigere Teil. Jetzt mischen sich die vorher eher realistisch wirkenden Figuren und Geschehnisse mit raunendem musikalischen Pathos und zunehmend klappernden Texten.

Das Finale dreht sich nicht enden wollend um Z, der als Toter lebe und doch lebend ein Toter sei.

Auch wir, so tönt das Opernorakel, möchten bitte bedenken, dass wir erst dann richtig leben, wenn wir bereit sind, jeden Augenblick zu sterben.

Wie schade, dass eine gute Idee, umgesetzt mit beträchtlichem Aufwand, letztlich derart im Kitsch versandet. Dennoch, dem Jubel des Publikums nach zu urteilen, kam die Sache an. Bleibt zu erwähnen, dass manche das unruhige Rauschen im zweiten Teil für ausgeklügelte Live-Elektronik (die es im Stück auch gibt) hielten; es war ein überaus heftiges Unwetter. Oder doch jemand, der im Grab rotierte?