„Spider-Man: Far From Home“: Spinnenmann auf Euro-Trip
Der Sommerblockbuster „Spider-Man: Far From Home“ führt die Super-Spinne auch durch Fake-Österreich – und macht Spezialeffekte zu den wahren Schurken.
Von Marian Wilhelm
Innsbruck –Dass ausgerechnet die Marvel Studios Special Effects zum Bösewicht machen, hätte wohl niemand gedacht. Die finanziell erfolgreichen „Avengers“-Superhelden hätten es ohne Super-Bilder aus dem Computer schwer. In der neuesten Auskopplung „Spider-Man: Far From Home“ inszeniert aber ausgerechnet eine Gruppe frustrierter Mitarbeiter der Stark Industries mit Hilfe fortschrittlicher „Illusion-Tech“ elementare Bedrohungen. Dumm nur, dass die Avengers nach ihrem „Endgame“ erstmal Urlaub machen. Auch für den wiederbelebten 16-jährigen Spider-Man alias Peter Parker (gewohnt sympathisch-tollpatschig: Tom Holland) steht nach seiner Nebenrolle im Weltraum ein Schulausflug nach Europa an. Die plakativen Action-Tourismus-Kapitel à la James Bond führen Peter Parker auf dem Weg von Venedig nach Prag sogar durch ein Fake-Österreich, gedreht am Valparola-Pass und in Tschechien.
Im romantischen Europa will er seinem Herzblatt M. J. die Liebe gestehen – für den Teenager ein größeres Problem als so mancher Super-Bösewicht. Doch die neue Marvel-M. J. (cool: Disney-Starlet Zendaya) ist ihm auf ihre erfrischend seltsame Art schon einen Schritt voraus und mehr als eine hormonelle Projektionsfläche. Auch wenn der Sightseeing-Trip am Canal Grande vom Einsatz gegen ein Touristen gefährdendes Wasserwesen unterbrochen wird, setzt Peter Parker lieber private Prioritäten. Doch Avengers-Papa Nick Fury (Samuel L. Jackson) hat es nicht gern, wenn seine Anrufe weggedrückt werden. Er redet dem Spinnenmann auf seine Art ins Gewissen und bucht die ganze Klasse kurzerhand vom teuren Paris ins billigere Prag um, wo die große Bedrohung in Form eines Feuer-Monsters lauert. Die doppelbödige Action ist dabei gewohnt luftig, samt starken Illusions-Szenen wie aus einem „Inception“-Traum.
Die Marvel Studios des Disney-Konzerns einigten sich 2015 auf eine Kooperation mit dem lizenzrechtlichen Erziehungsberechtigten von Spider-Man, Sony’s Columbia Pictures. Damit war der Weg frei, einen der prominentesten Comic-Superhelden ins große Marvel Cinematic Universe einzubauen. Der animierte, noch jüngere Spider-Man in „Into the Spider-Verse“ (2018) bleibt davon streng getrennt. Auch wenn die Spinnenfäden im großen MCU-Weltraum zuweilen deplatziert wirkten, nahm der heranwachsende Peter Parker eine wichtige Rolle im finanzstarken Franchise ein. Als Protegé und Ersatzkind von Technik-Egozentriker Tony Stark alias Iron Man repräsentierte er die nächste Generation. Nach dem bombastischen „Infinity War“ und „Endgame“ wird er nun neben Captain Marvel die Fackel aufnehmen und zwar nicht nur in seinen Einzel-Filmen, die weiterhin von Sony vertrieben werden. Sein Reboot in „Homecoming“ war damit nicht nur eine Titelspielerei. Als Teenager-Geschichte darf Spider-Man auch mehr Blockbuster-Leichtigkeit wagen als einige der ernsten Erwachsenen-Helden. Das ist eine klare Ansage an das jugendliche Publikum.
Wer sich wundert, wo denn die restlichen Avengers sind und warum der sonst so vife Nick Fury so leichtgläubig ist, der darf bis zur Post-Title-Sequence skeptisch bleiben. Im Unterschied zum Groß-Ereignis „Endgame“ gibt es diesmal nämlich wieder einen Grund zum Abspannschauen. Beim zweiten Einzeleinsatz des Spinnenmanns nerven zuweilen die Klassenfahrt-Klischees von Peter Parkers Highschool-Welt. Die ehrlichen inneren Konflikte des überforderten Jugendlichen und die raffinierte Erzählung tragen jedoch die souveräne Marvel-Handschrift.