Bange Stunden in Tirol: Anrufer drohte mit Bombe und Geiseln
Einen Tag wie gestern erlebt die Tiroler Polizei nur selten. Binnen weniger Stunden überschlugen sich die Ereignisse. Bombendrohung, vermeintliche Geiselnahme, Schusswechsel mit der Polizei: Ein Protokoll der dramatischen Ereignisse.
Von Matthias Sauermann
Innsbruck, Wildschönau – Szenen, die direkt aus einem Hollywoodfilm stammen könnten, spielten sich gestern Abend in Tirol ab. Der Großeinsatz stellte die Nerven der Polizeibeamten auf die Probe und sorgte dafür, dass binnen kürzester Zeit sämtliche Register für Krisensituationen gezogen werden mussten. Am Tag danach informierte die Spitze der Tiroler Polizei über die dramatischen Stunden.
Alles begann mit einem Notruf bei der Leitstelle Kufstein. Um 19.20 Uhr rief dort ein Mann an und drohte, in Kürze werde eine Bombe in einem Innsbrucker Lokal explodieren. Er selbst habe die Bombe dort deponiert. Ebenfalls behauptete der Mann, zwei Geiseln in seiner Gewalt zu haben. Eine habe er bereits in den Kopf geschossen.
Sofort wurde die Information an die Kollegen in Innsbruck weitergeleitet. Bereits eine Minute später war die Innsbrucker Polizei informiert, berichtet Stadtpolizeikommandant Martin Kirchler. Die Drohung sei ernst zu nehmen gewesen, deshalb habe man eine sofortige Evakuierung der betroffenen „Filiale eines Lokals“ in der Innsbrucker Altstadt angeordnet. Sieben Minuten später sei das Lokal und die nahe Umgebung bereits geräumt gewesen. Auch die darüberliegenden Wohnungen wurden geräumt. Die Spezialeinheit Cobra stand bereit.
Autofahrer meldete verdächtigen Autostopper mit Waffe
Zeitgleich ermittelte die Polizei mittels Handypeilung den Standort des Anrufers, berichtet Landespolizeidirektor Helmut Tomac. Der Anruf wurde demnach von der Wildschönau aus getätigt. Da der Anrufer mit seinem privaten Handy unter seiner Nummer anrief, war der Polizei der Name des Anrufers sofort bekannt. Es handelte sich um einen 55-jährigen Österreicher, der aus Kärnten stamme und bereits lange in der Gegend wohne. Er sei mehrfach polizeilich aufgefallen.
Wenig später ging ein weiterer Notruf ein. Ein Autofahrer berichtete, er habe eben einen verdächtigen Mann mitgenommen. Dieser habe von einer Bombe gesprochen und eine Waffe im Hosenbund getragen. Er habe ihn bei einer Tankstelle aussteigen lassen. Bedroht wurde der Autofahrer übrigens nicht, so LKA-Chef Walter Pupp.
Die Polizei schwärmte daraufhin zu der Tankstelle aus. Dort traf sie gegen 20.26 Uhr ein. Die Beamten näherten sich dem Mann, der ruhig da stand, langsam – und „taktisch richtig“, wie sowohl Tomac als auch Pupp betonten. Drei Beamte hätten sich mit gezogener Waffe langsam genähert. Sie riefen dem Verdächtigen aus etwa 30 bis 40 Meter Entfernung zu, seine Hände in die Höhe zu halten. Der Mann habe gewirkt, als habe er „auf die Polizei gewartet“, so Pupp später.
Täter feuerte mit täuschend echter Luftdruckwaffe
Der Verdächtige griff stattdessen zu seiner Waffe, die er verdeckt trug, und eröffnete das Feuer auf die Polizisten – mit einer Luftdruckwaffe. Diese habe täuschend echt ausgesehen, unterstrich LKA-Chef Walter Pupp. Aufgrund der Gefahrenlage hätten die Beamten davon ausgehen müssen, dass es sich um eine echte Waffe handle.
Die Polizei schoss zurück – aus Notwehr, so Pupp. Sie traf den Verdächtigen zwei Mal. Einmal in den Oberschenkel, einmal in den Unterbauch. Die Beamten dürften sechs Mal gefeuert haben – allerdings sind die Erhebungen noch nicht abgeschlossen. Wie oft der Verdächtige schoss, ist noch unklar, nachdem Luftdruckwaffen keine Hülsen besitzen.
Der Waffengebrauch der Polizisten wird noch von der Staatsanwaltschaft untersucht werden. Das Gesetz dazu sei streng, so Pupp – in dieser Situation hätten die Beamten jedoch von Lebensgefahr ausgehen müssen. Außerdem sei in naher Umgebung ein Zeltfest abgehalten worden. Wäre der Täter dorthin gelangt, hätte das katastrophal enden können.
Täter schwebt nicht in Lebensgefahr
Sofort nach den Schüssen wurde ein Hubschrauber angefordert. Außerdem habe ein Polizist, der ausgebildeter Sanitäter ist, den Verdächtigen versorgt. Der Mann wurde noch in der Nacht in der Innsbrucker Klinik operiert. Sein Zustand sei stabil, er schwebe nicht in Lebensgefahr, so Tomac. Vernommen werden konnte der Mann aufgrund der Verletzungen jedoch noch nicht, berichtet LKA-Chef Pupp.
Indes wurde in Innsbruck nach einer möglichen Bombe oder Taschen oder ähnlichen Behältnissen in dem Lokal gesucht, berichtet Stadtpolizeikommandant Kirchler. Der Schusswechsel in der Wildschönau, dass also tatsächlich ein bewaffneter Tatverdächtiger gestellt wurde, der noch dazu von der Waffe Gebrauch machte, unterstrich die Ernsthaftigkeit der Bombendrohung. Gefunden wurde jedoch nichts. Auch andere Filialen des Restaurants in Innsbruck wurden gesichtet. Noch sei nicht klar, ob der Verdächtige überhaupt in Innsbruck war, so Pupp. Um 23 Uhr konnte der Einsatz in Innsbruck beendet werden, bestätigt Kirchler.
In welchem Zustand sich der in der Wilschönau angeschossene Verdächtige befand, wird nun noch untersucht. Der Mann sei „augenscheinlich alkoholisiert“ gewesen, beschreibt Pupp. Der Alkoholisierungsgrad oder andere mögliche Substanzen müsse jedoch eine Untersuchung klären. Gegen den Verdächtigen bestand indes bereits länger ein Waffenverbot – er hätte also auch diese Waffe nicht besitzen dürfen. Ob der Verdächtige die Schüsse der Beamten provozieren habe wollen, könne nicht ausgeschlossen werden. Allerdings sei Täterverhalten schwer einschätzbar.
Nun folgen weitere Ermittlungen. Die beiden von dem Verdächtigen erwähnten Geiseln habe es nie gegeben. Einige Details konnte die Polizei auch aus ermittlungstaktischen Gründen noch nicht bekannt geben – nur gehen die Beamten nicht von einem Zusammenhang mit der Bombendrohung vor wenigen Tagen in der Rossau aus. Jedenfalls tat sich LKA-Chef Walter Pupp sichtlich schwer dabei, sich an ähnliche Vorfälle in Tirol zu erinnern. Der Mittwochabend wird wohl noch länger im Gedächtnis bleiben.