Mit dem Handbike durch Australien: Aus 4 werden 4000 Kilometer
Wolfgang Timischl hat sich vor sieben Jahren vorgenommen, Australien mit dem Handbike zu durchqueren. Bald ist es so weit, zusammen mit drei Freunden will er ein Zeichen setzen.
Von Manuel Lutz
Innsbruck –Eingeschränkt – ein Fremdwort für Wolfgang Timischl. Schwimmen, Skifahren, Wasserskifahren, Tandemspringen und Radfahren sind nur ein paar der sportlichen Aktivitäten, die der Serfauser in seiner Freizeit ausübt. Es ärgert ihn aber, dass dies seine Mitmenschen mit Staunen zur Kenntnis nehmen, da der bald 45-Jährige im Rollstuhl sitzt: „Man wird auf den Rollstuhl reduziert, das kränkt mich.“ Dass er einmal einen Weltrekordversuch mit dem Fahrrad starten sollte, um noch mehr Menschen zu zeigen, was als Rollstuhlfahrer alles möglich ist, und um Leidensgenossen zu Ähnlichem zu ermutigen, hätte er sich trotz seiner Waghalsigkeit nicht gedacht.
Nun will er zusammen mit dem Wörgler Wolfgang Almer, Alexander Gritsch aus Tarrenz und dem Oberösterreicher Michael Langer-Weninger von Perth an der Südwestküste Australiens bis zur Ostküste nach Sydney mit dem Handbike radeln und so 4000 Kilometer und 13.000 Höhenmeter zurücklegen. Das alles in nur sechs Tagen. Am 14. Oktober wird es endlich so weit sein. Timischl wartet bereits darauf wie ein kleines Kind auf Weihnachten. Es scheint alles angerichtet. Mit dem Guinness-Buch der Rekorde ist alles abgeklärt.
Es war nicht immer so, dass Timischl wie heute voller Lebensfreude strotzt. Ein Skiunfall im Jänner vor neun Jahren änderte das Leben des Liftangestellten von einer Sekunde auf die andere. „Die Piste war hart gefroren und ich bin wie ein Gestörter runter. Bei einem Kamelbuckel hat es mir den Ski weggerissen, gefühlt war ich eine halbe Stunde in der Luft. Dann bin ich auf das Eis geprallt. Die Wirbel hat es mir zerdrückt und ich hab keine Luft mehr bekommen“, rekonstruiert der Serfauser den Unglückstag.
Sich seinem Schicksal zu stellen, sei für den Extremsportler die richtige Entscheidung gewesen: „Zuerst fragt man sich, ob es Sinn macht, weiterzuleben. Aber wenn man Familie hat, muss man für die auch da sein. Man muss allem eine Chance geben. Zu seinem Kind sagt man auch, dass es Spinat zuerst probieren muss und nicht sofort sagen kann, dass es den nicht mag.“
Auch wenn die Rückkehr auf die Ski nicht einfach war, wollte es der gebürtige Steirer unbedingt probieren. „Als ich die kalte Luft am Berg eingeatmet habe, hat mich das sofort an meinen Unfall erinnert. Das ist auch heute noch so, aber sobald ich in meinem Monoski bin, ist die Angst weg, es ist ein geniales Gefühl“, bekommt Timischl auch heute noch beim Gedanken daran Gänsehaut.
Die Idee, Australien mit dem Handbike zu durchqueren, hatte er bereits vor sieben Jahren während einer Reha in Bad Häring: „Ich habe das Buch ‚Race Across Australia‘ gelesen und mir gedacht, dass es eine super Geschichte ist. Ich brauchte für mich auch Ziele. Der aktuelle Rekord liegt bereits in österreichischer Hand und stammt aus dem Jahr 2010. Das sind Helden, leider weiß es nur niemand.“
Daraufhin legte er sich ein Handbike zu – bei seinen ersten Versuchen kam er gerade einmal vier Kilometer weit: „Ich bin kläglich gescheitert, die Arme haben so geschmerzt. Aber ich dachte mir sofort: Es fehlen nur noch 3996 Kilometer.“ 2015 folgte die erste große Tour, nach Brindisi (Italien) legte Timischl 1500 Kilometer zurück. Dann ging es zweimal nach Sizilien (jeweils 2500 Kilometer). Spätestens im vergangenen Jahr setzte er mit der Österreichrundfahrt, die auch über den Großglockner führte, ein sportliches Ausrufezeichen und machte auf sich aufmerksam.
„Es geht hier nicht um mich. Mit der Organisation Sports Life sammeln wir Geld von Sponsoren, um unsere Projekte umzusetzen. Pro erradelten Kilometer wird Geld für gute Zwecke gespendet. Jeder kann Kilometer kaufen.“ Bislang kamen schon 70.000 Euro an Spenden zusammen. Kürzlich erreichte ihn eine enttäuschende Nachricht: „Die Spedition hat abgesagt, da sie die Werbung doch nicht braucht. Es geht um einen guten Zweck, nicht um Werbung.“
Das Australien-Quartett lässt sich aber nicht aus der Ruhe bringen. Nicht nur der Rollstuhl verbindet sie, wie Timischl erzählt: „Alle haben ihre Reha in Bad Häring gemacht. Ein Zeichen für die gute Arbeit dort.“ Dass sich das Team vor Kurzem auch dort zum Trainieren traf, liegt auf der Hand. „Wir haben 48 Stunden gesportelt und so probiert, Schlafmangel zu provozieren, um zu sehen, wie wir darauf reagieren.“ Sonst bereitet sich jeder individuell vor.
Der Initiator hat sich – wie könnte es auch anders sein – etwas ganz Spezielles überlegt: „Ich bringe meinen Biorhythmus durcheinander. Einmal die Woche trainiere ich daheim von 23 Uhr bis 4 Uhr morgens.“ Auf die Frage, was seine Familie und Freunde davon halten, fängt er an zu lachen: „Um es in Mundart zu sagen: Ganz sauber warsch noch nie.“