Erleichterung auf der „Alan Kurdi“: Malta ließ Migranten an Land
Tagelang suchte die „Alan Kurdi“ nach einem sicheren Hafen für 65 Migranten. Am Sonntag dann die erlösende Nachricht: Malta lässt die Menschen an Land. Sie sollen auf europäische Länder verteilt werden. Die Integration begann schon an Bord.
Rom/Valletta – Jubel auf dem deutschen Rettungsschiff „Alan Kurdi“: Malta hat sich am Sonntag bereiterklärt, die 65 Migranten von dort an Land zu lassen. 62 von ihnen seien an ein maltesisches Patrouillenboot übergeben worden und am Abend in Malta gelandet, teilte Maltas Armee mit. Drei Migranten, die dringend ärztliche Hilfe brauchten, wurden demnach schon zuvor per Lufttransport geholt.
Die 65 Menschen sollen umgehend auf andere europäische Länder verteilt werden, wie die Regierung in Valletta zuvor nach Gesprächen mit der EU-Kommission und Deutschland bekanntgegeben hatte. An Österreich wurde keine entsprechende Anfrage gerichtet.
Die maltesischen Behörden teilten mit, außerdem sei eine Vereinbarung erzielt worden, dass EU-Länder die Hälfte von weiteren 58 Migranten aufnehmen werden, die von der maltesischen Marine aus dem Mittelmeer gerettet worden seien.
Der deutsche Innenminister Horst Seehofer begrüßte, dass Malta den insgesamt 123 Migranten erlaubt hat, an Land zu gehen. „Auf Bitten von Malta sollen hiervon 94 Personen in andere Mitgliedstaaten verteilt werden. Im Geiste der europäischen Solidarität habe ich angeboten, dass wir uns hieran mit bis zu 40 Personen beteiligen“, teilte er am Abend über sein Ministerium mit. „Ich bin zufrieden, dass es gelungen ist, zügig eine Ausschiffung zu ermöglichen. Allerdings brauchen wir für diese Fälle jetzt schnell einen tragfähigen und funktionierenden Mechanismus. Daran müssen die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten mit Hochdruck arbeiten.“
Sea-Eye-Einsatzleiter Isler sagte, die Behörden Maltas hätten die Schiffsführung der „Alan Kurdi“ angewiesen, nach Gozo, der Nachbarinsel Maltas, zu fahren. „Das ist 50 Seemeilen entfernt und dauert etwa sieben Stunden.“ Dort würden die Menschen vermutlich auf See vom maltesischen Militär übernommen und an Land gebracht.
Die „Alan Kurdi“ war tagelang auf Irrfahrt auf dem Mittelmeer gewesen. Italien wollte die 65 von einem überfüllten Schlauchboot vor der libyschen Küste geretteten Menschen nicht an Land lassen. Auch Malta hatte sich zunächst gesperrt. An Bord spitzte sich die Lage zu.
Die Helfer an Bord von der Organisation Sea-Eye aus Regensburg hatten sich von den zwischenzeitlichen Schwierigkeiten nicht unterkriegen lassen. „Wenn sich europäische Länder zur Aufnahme der Menschen bereiterklären, werden die Behörden in Malta sie auch an Land lassen“, hatte Isler vorausgesagt. Er sollte recht behalten. An Bord fingen die Helfer schon mal mit die Integration der Migranten an: „Für die Geretteten gibt es erste Deutschstunden“, sagte Isler. Die Verständigung laufe überwiegend auf Englisch. Wer das noch nicht könne, für den würden ältere Migranten übersetzen.
Isler hatte Deutschland als Flaggenstaat der „Alan Kurdi“ gebeten, wie schon bei früheren ähnlichen Fällen Verhandlungen mit den beteiligten Staaten aufnehmen. Das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt hätten das bisher immer professionell und effektiv geregelt. Sea-Eye-Sprecherin Carlotta Weibl sagte dpa: „Wenn die Todesfälle im Mittelmeer aufhören sollen, dann dürften Rettungsschiffe nicht wochenlang vor den Inseln liegenbleiben“.
Die „Alan Kurdi“ – benannt nach dem dreijährigen syrischen Flüchtlingsjungen, dessen Leiche im Spätsommer 2015 an einem Strand in der Türkei angespült wurde – ist ein 38 Meter langes früheres DDR-Forschungsschiff. Am Samstag hatte es vergeblich vor Lampedusa auf die Erlaubnis gewartet, in den Hafen der italienischen Mittelmeerinsel einlaufen zu dürfen. „Auf keinen Fall“, hatte Italiens rechtspopulistischer Innenminister Matteo Salvini dekretiert und harte Strafen angedroht. Daraufhin drehte das Schiff am späten Abend notgedrungen Richtung Malta ab.
„Dass sich nun wieder Staatschefs mit der Verteilung einzelner Migranten befassen müssen, ist wirklich peinlich“, sagte Isler. Es müsse endlich ein Verteilungsmechanismus für Flüchtlinge und Migranten in Europa gefunden werden. „Dann würden auch keine Häfen mehr für Rettungsschiffe geschlossen“, sagte er. Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, forderte, Deutschland solle alle 65 Migranten von der „Alan Kurdi“ aufnehmen.
Der Fall hatte auch für Streit zwischen Seehofer und Salvini gesorgt. Seehofer hatte seinen italienischen Kollegen am Samstag aufgefordert, die Dauerkrise der Rettungsschiffe im Mittelmeer zu beenden. „Wir können es nicht verantworten, dass Schiffe mit geretteten Menschen an Bord wochenlang im Mittelmeer treiben, weil sie keinen Hafen finden“, schrieb er am Samstag an Salvini. Der wies das prompt zurück. Eher würde er die Migranten per Bus direkt in die deutsche Botschaft in Rom fahren lassen, sagte er in einem im Internet verbreiteten Video.
Beifall bekam Salvini vom Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke. Er sagte am Samstag bei einem Treffen des rechtsnationalen „Flügels“ der AfD, Salvini tue das, „was meinem Herzen entspricht und was nach meinem Willen hoffentlich auch irgendwann mal die Mehrheit der Partei als Grundlage ihrer Programmatik formulieren wird, nämlich die Kombination aus Identität und Solidarität“.
Auch Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz kritisierte die privaten Retter. „Sie wecken damit nur falsche Hoffnungen und locken damit womöglich unabsichtlich noch mehr Menschen in Gefahr“, sagte der Politiker der Österreichischen Volkspartei der „Welt am Sonntag“.
Die Menschen an Bord des italienischen Rettungsschiffes „Alex“ durften in Lampedusa an Land. Das Schiff mit 41 aus dem Mittelmeer geretteten Migranten war am Samstag trotz eines Verbots Salvinis in den Hafen der Insel eingelaufen. Damit folgte die „Alex“ dem Beispiel des deutschen Rettungsschiffes „Sea-Watch 3“, das vor einer Woche trotz Verbots unter dem Kommando der Kapitänin Carola Rackete mit 40 Migranten nach Lampedusa gefahren war. Die „Alex“ wurde beschlagnahmt; zudem wurde ein Bußgeld in zunächst unbekannter Höhe festgesetzt. Auch die „Sea-Watch 3“ ist weiter beschlagnahmt.