Packende Einblicke in die „Wohnkultur“ vor 2000 Jahren in Birgitz
Bei Ausgrabungen auf der Hohen Birga legten Archäologen zwei Häuser einer eisenzeitlichen Siedlung frei – samt vielen faszinierenden Details. Bis zu 20 Häuser und 100 Bewohner dürfte die rätische Siedlung auf der Hohen Birga einst umfasst haben.
Von Michael Domanig
Birgitz – Die Hohe Birga ist ein bewaldeter, gegenüber dem Inntal schroff abfallender Hügel nördlich von Birgitz – und einer der bedeutendsten und faszinierendsten Fundplätze in Tirol, wenn es um die Kultur der Räter vor über zwei Jahrtausenden geht.
Schon 1937 waren dort Reste einer rätischen Siedlung aus der jüngeren Eisenzeit entdeckt worden, in den 40er- und 50er-Jahren folgten intensive Forschungen. Danach geriet der Fundplatz jedoch für fast ein halbes Jahrhundert in Vergessenheit, die entdeckten Überreste wucherten wieder zu. Erst durch die Gründung des Vereins Archäotop Hohe Birga, der gemeinsam mit der Gemeinde Birgitz sogar ein Rätermuseum aufbaute, rückte die Hohe Birga erneut in den Fokus. Das Institut für Archäologien der Uni Innsbruck nahm wieder Grabungen auf – die auch heuer fortgesetzt wurden.
Und zwar mit Erfolg: Bei der diesjährigen Kampagne, an der auch Studierende der Uni Innsbruck beteiligt sind, wurden zwei über 2000 Jahre alte Häuser im Osten des Hügels freigelegt. Grabungsleiter Florian Müller verweist auf viele markante Details: Beim ersten, in den Hang eingetieften Haus sind etwa massive Gänge aus Mauern in Trockenbauweise (große, aufeinandergestapelte Steine) erkennbar, die einst in die Häuser führten. Im Vorraum fand sich der Originalfußboden aus grün-gelblichem, gestampftem Lehm. Eine ganz andere Bauweise zeigt sich im eigentlichen Innenraum: flache, große Unterlagssteine, auf die Holzwände aus waagrechten Bohlen aufgesetzt wurden. Mit rund 30 m² plus Vorraum und Gang war das Haus sehr stattlich – „viel größer als dann zum Beispiel die Häuser im Mittelalter“, vergleicht Müller.
Um diese (heute natürlich nicht mehr erhaltenen) Holzwände zu schützen, wurden sie einst mit Steinmaterial hinterfüllt. In dieselbe Baugrube wurden aber auch – für die Archäologen besonders spannend – Müll, Knochen, Keramik und mehr hineingeworfen. Also Funde, die heute bei der chronologischen Einordnung der Häuser helfen.
Die terrassenartige Siedlung dürfte von ca. 300 v. Chr. bis zur Zeitenwende bestanden haben – und zwar aus geschätzt 15 bis 20 Häusern, in denen wohl 80 bis 100 Menschen gleichzeitig lebten. Das Ende dürfte, wie für die rätische Kultur im Alpenraum insgesamt, recht plötzlich gekommen sein, mit der Eroberung durch die Römer.
In diesem Zusammenhang besonders spannend ist das zweite, von der Ausdehnung her noch größere Haus: Dort wurden Reste von verkohlten Balken entdeckt – zusammen mit Lehmverputz, der in der Hitze „verziegelte“, liegt damit der erste Nachweis eines Hauses vor, das durch Brand zerstört wurde.
Dazu gelangen den Archäologen viele, teils spektakuläre Kleinfunde: Die Palette reicht von Keramik- und Tonstücken in großen Mengen über Gewandnadeln aus Bronze, Korallen oder Glasperlen bis hin zum Fragment eines Glasarmreifens: „Dieser war transparent, wurde aber mit einer Paste beschmiert, um farbiges Glas vorzutäuschen“, erklärt Müller. Besonders schön und erst am Montag entdeckt: ein „Klapperblech“ genannter Anhänger aus Bronze, der an einer Kette getragen wurde. Schon im Vorjahr hatten die Forscher zwei kleine Silbermünzen freigelegt. Diese wurden nicht von den Rätern produziert, sondern stammen aus Südfrankreich. Derartige Fundstücke zeigen für Müller, dass die Siedlung „in irgendeiner Form von Austausch“ mit der Außenwelt stand.
Noch bis Freitag rackern die hitzefesten Archäologen vor Ort, dann werden die Ausgrabungen wieder zugedeckt. „Wir hoffen, im Idealfall nächsten Sommer mit dem zweiten Haus weitermachen zu können“, sagt Müller. Auch ein Audioguide für den – als archäologischer Park erschlossenen – Hügel ist in Arbeit.