Mahlers Neunte himmlisch schön in Salzburg
Der große Herbert Blomstedt eröffnete die Konzertreihe der Wiener Philharmoniker in Salzburg.
Von Stefan Musil
Salzburg –Ein volles Großes Salzburger Festspielhaus blieb am Montagabend eine kleine Ewigkeit lang mucksmäuschenstill. Das sind dann die seltenen Momente des Konzertlebens, wenn alle gemeinsam ergriffen nachhallen lassen, was sie erlebt haben. Wie diesmal, wenn Mahlers Neunte Symphonie zum Weinen schön ins Universum verloschen ist. Dazu braucht es Autorität. Eine, die Dirigent Herbert Blomstedt besitzt. In seiner uneitlen Menschlichkeit und seinem wachen Agieren. Dank seiner berührend sympathischen Nahbarkeit, wenn er etwa nach dem Konzert mit seinen 92 Jahren bis nach hinten aufs Podium steigt, um sich auch bei den Holzbläsern mit Handschlag zu bedanken, den Hörnern freudig zuwinkt, die Blechbläser aufstehen lässt.
Da spenden dann auch die Wiener Philharmoniker allerschönsten Orchesterklang und singen die Streicher das Adagio, den letzten Satz von Mahlers Abgesang, innig und dicht, packen die Zuhörer in allen Samt, den sie aus ihren Saiten zaubern können. Und Blomstedt fordert es mit sparsamen Gesten, mit seinen Händen, die ohne Dirigentenstab modellieren und ordnen, die Intensität, Begeisterung zaubern, dabei aber genau wissen, was sie wollen. So auch im ersten Satz von Mahlers letzter vollständiger Symphonie, 1912 in Wien uraufgeführt, der schwere Schicksalsschläge vorangegangen waren: der Diphterie-Tod der fünfjährigen Tochter Maria Anna, die Diagnose der eigenen Herzkrankheit, die Demission als Direktor der Wiener Hofoper. Mahler antwortete mit dem ersten Satz, ungewohnt im Tempo, einem Andante, mit einem zerklüfteten Seelenkampf, der aus dem Nichts anhebt und verklärt wieder zurücksinkt. Blomstedt und die Philharmoniker beschrieben schon dieser Satz als behutsam in all seinen Details und Teilen ausformuliertes, dabei spannungsreich zum Ganzen wieder zusammengesetztes Panorama.
Wunderbar deppisch tölpelte danach der Landler des zweiten Satzes, dem bald zügig der Walzer auf die Füße trat. Auch bei der Rondo-Burleske im dritten Satz legten Orchester und Dirigent ironisch zugespitztes Temperament an den Tag. Wobei Blomstedt nichts am Weg liegen ließ, immer auch seinen analytischen Fokus auf viele liebevoll ausformulierte, pointierte, spitze, berührende Details lenkte.
Ein denkwürdiger Auftakt für die Salzburger Konzerte der Wiener Philharmoniker. Franz Welser-Möst, Riccardo Muti, Daniel Barenboim und Bernard Haitink folgen als Dirigenten noch auf Herbert Blomstedt, den das Orchester erst spät, 2011, mit 83 Jahren und einer Weltkarriere hinter sich, als einen der Großen für sich erkannt haben. Dafür umso herzlicher, wie die vor den Salzburger Auftritten erfolgte Ernennung zum Ehrenmitglied zeigt.