„Ich warte nicht zu“: Parteifreie Minister zeigen auf
Innenminister Wolfgang Peschorn und Justizminister Clemens Jabloner wollen nicht nur verwalten. Sie wollen politische Zeichen setzen.
Wien – Wolfgang Peschorn sitzt im ZiB2-Studio. Es ist der erste große TV-Auftritt des Innenministers des Experten-Kabinetts. Und das, was er, interviewt von Armin Wolf, bietet, ist ungewöhnlich. Peschorn macht etwas, das Zuseher von Parteileuten in Regierungsressorts nicht kennen: gebeten, ob der Themenfülle kurz zu antworten, das auch zu tun. Er schweift nicht ab, er schwurbelt nicht, phrasenlos ist er zugange. Das liegt nicht nur daran, dass Peschorn keine Botschaften platzieren muss für die Klientel einer Partei. Es liegt wohl auch an seinem Naturell und dem bisherigen beruflichen Wirken. Die Finanzprokuratur, die Anwaltschaft der Republik, hat Peschorn geleitet.
Seit 3. Juni steht er dem Innenministerium vor. Kanzlerin Brigitte Bierlein hat sich und den Ihren Zurückhaltung verordnet. Die gibt es von Peschorn an diesem Abend nicht. Wie gehe dies mit dem Credo „Wir verwalten nur“ zusammen, dass er die Reform des Verfassungsschutzes realisieren wolle, fragt Wolf. „Verwalten ist Gestalten im Rahmen der Gesetze. Ich habe als oberster Ressortchef und zuständig für das BVT die Aufgabe, dieses in bessere Fahrwasser zu führen – und eine Reform, die eingeleitet wurde, abzuschließen oder zumindest voranzutreiben. Es kann nicht sein, dass ich als so genannter Übergangsminister zuwarte.“
„Einer der spannendsten Kriminalfälle der Zweiten Republik“
Bemerkenswert ist auch Peschorns Urteil über die Ibiza-Affäre: „Das ist ein großer und wahrscheinlich einer der spannendsten Kriminalfälle der Zweiten Republik.“ Gibt es Hintermänner, über die man noch nichts weiß? „Natürlich“, sagt Peschorn. Mehr könne er nicht sagen, „weil die Ermittlungen geheim sind“.
Ob er die „schwarzen Netzwerke“ in seinem Ressort schon entdeckt habe, von denen die FPÖ und die Liste Jetzt sprechen, will Wolf ebenfalls wissen. „Ich habe viele entdeckt, schwarze, blaue, vielleicht auch andere“, sagt Peschorn. Ist das ein Problem? Es sei „ein Problem, wenn die Loyalitäten nicht beim Dienstgeber sind, in dem Fall bei der Republik Österreich, sondern man sich an anderen Interessen orientiert. Meine Aufgabe ist, nur den Interessen Österreichs zum Durchbruch zu verhelfen“, befindet Peschorn.
Es folgt ein verbaler Hieb auf Herbert Kickl & Co: „Meine Vorgänger haben viel Zeit gehabt, diese Netzwerke, die sie nun meinen, entdeckt zu haben, öffentlich zu machen und zu beseitigen.“ Und noch ein Tadel, was den Zustand des Innenressortsanlangt: „Nach meinen ersten 60 Tagen erkenne ich, dass es hier Restrukturierungsaufgaben in großem Umfang gibt.“ Zu Kickls Vorhalt, er bekomme „Befehle aus der ÖVP-Zentrale“, sagt Peschorn: Der FPÖ-Mann „sollte es besser wissen“; er kenne seine Vita. „Wenn man meinen Lebensweg betrachtet, war ich auch für die ÖVP oft sehr unangenehm, weil mein einziges Interesse, dem ich diene, das der Steuerzahler und der Republik ist. In vielen Themenbereichen gab es hier Konflikte und den Ruf nach Abberufung als Anwalt der Republik, weil ich unbeugsam war – im Interesse der Republik.“
Konfrontiert mit der Kritik der Blauen und der Liste Jetzt an der Besetzung der „Soko Ibiza“ („schwarzes Netzwerk“), sagt Peschorn – darauf verweisend, dass diese wie jene Vornamen und Initialen von Soko-Mitgliedern öffentlich genannt haben: Peter Pilz gefährde die Ermittlungen – „und wahrscheinlich auch das Leben dieser Menschen“.
Pilz ist empört: „Das ist eine grobe Respektlosigkeit gegenüber der parlamentarischen Kontrolle und für mich eine unzulässige Entgleisung. Ich verlange eine Entschuldigung.“ Und FPÖ-Sicherheitssprecher Hans-Jörg Jenewein attestiert Peschorn, „mit zweierlei Maß“ zu messen – „hinsichtlich der Tätigkeit parteipolitisch engagierter Beamter“.
Jabloner will mehr Fußfessel als Haft
Auch Übergangsjustizminister Clemens Jabloner will politische Zeichen setzen. Die Grundlagen für die Reform des Strafvollzugs stammen noch aus der Zeit von ÖVP-Justizminister Josef Moser. Jabloner will nun die Umsetzung einleiten: Ziel ist, die Zahl der Häftlinge in den Justizanstalten zu verringern. Um das zu erreichen, will er den Einsatz der elektronischen Fußfessel ausbauen und Ersatzfreiheitsstrafen verstärkt durch gemeinnützige Leistungen ersetzen.
Konkret sieht Jabloner vor, eine Fußfessel bei bis zu zwei Jahren ausstehender Haft möglich zu machen. Bisher liegt die Grenze bei zwölf Monaten. Er hofft, die Zahl der Insassen in den Gefängnissen um 500 senken zu können. Mit der Novelle soll zudem die Sicherheit in den Haftanstalten erhöht werden. Mit Störsendern und Anlagen zur Peilung soll die heimliche Nutzung von Handys unterbunden werden. Freigänger im gelockerten Vollzug dürfen Mobiltelefone verwenden. Außerdem soll der Einsatz von Bodycams ermöglicht werden. Für Fesselung oder den Umgang mit verhaltensauffälligen Häftlingen wird es klarere Handlungsanleitungen geben.
Der Justizminister will den Entwurf für sechs Wochen in Begutachtung schicken. Ein Beschluss im Nationalrat wäre – eine politische Einigung vorausgesetzt – noch heuer möglich. Dies zwar nicht mehr vor der Nationalratswahl, möglicherweise aber noch vor Bildung einer neuen Regierung. (kale, TT, APA)