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Quanteninternet nimmt Gestalt an: Uni Innsbruck jubelt über Forschungserfolg

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© IQOQI Innsbruck/Harald Ritsch

Abhörsichere Kommunikation für Forschung und Technologie: Das Quanteninternet könnte zu einer Revolution in der Datenübertragung führen. Innsbrucker Forschern ist nun ein Schritt auf dem Weg dorthin gelungen: Erstmals konnte Quanteninformation über ein 50 Kilometer langes Glasfaserkabel übertragen werden.

Innsbruck – Quantenphysiker der Universität Innsbruck feiern einen Rekord bei der Übertragung von Quantenverschränkung zwischen Materie und Licht: Erstmals ist es ihnen gelungen, Quanteninformation 50 Kilometer weit zu schicken. „Das ist um zwei Größenordnungen weiter als es bisher möglich war und eine praktikable Distanz für den Bau von regionalen Quantennetzwerken“, freut sich Physiker Ben Lanyon.

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass auch eine weitere Übertragung über 100 oder mehr Kilometer möglich wäre. Auch die Errichtung eines Quantennetzwerks zwischen Innsbruck und Wien wäre demnach etwa mit einer Handvoll von Ionenfallensystemen möglich.

Wofür Quanteninternet?

Das wirft erst einmal die Frage auf, wozu Quanteninternet überhaupt nötig ist und inwiefern es sich von herkömmlicher Datenübertragung unterscheidet. Das Internet sei ein Beispiel von einem Netzwerk, also eines Zusammenschlusses von Dingen, die untereinander Informationen austauschen können, erklärt der Innsbrucker Experimentalphysiker Ben Layon gegenüber der TT. Die Schnittstellen in einem Quantennetzwerk könnten jedoch viel stärker miteinander verbunden werden als in herkömmlichen Netzwerken. Diese starke Verbindung nenne man Quantenverschränkung. Diese würde zu zahlreichen neuen Möglichkeiten führen – und mehr würden laufend gefunden werden.

„Ein Quantennetzwerk könnte weit voneinander entfernte Teleskope miteinander verbinden und somit ein viel leistungsfähigeres Teleskop schaffen“, erklärt der Innsbrucker Experimentalphysiker. „Ein Quantennetzwerk aus Uhren könnte ein weitaus verbessertes GPS (Global Positioning System) schaffen.“ Und im Bereich Computer könne Quanteninternet eine bisher nicht bekannte Leistungsstärke schaffen, so Lanyon.

In einem nichtlinearen Kristall wird die Wellenlänge des Photons so verändert, dass es über herkömmliche Glasfaserleitungen gesendet werden kann.
© IQOQI Innsbruck/Harald Ritsch

Auch die breite Öffentlichkeit könnte davon profitieren. So arbeitet Lanyons Team gemeinsam mit anderen europäischen Wissenschaftern an einer Blaupause für ein nutzerfreundliches europaweites Quantennetzwerk, wie er gegenüber der TT erzählt.

Ein wesentlicher Punkt ist schlussendlich auch: Quanteninternet würde eine absolut abhörsichere Kommunikation versprechen. Quanteninformation kann nämlich nicht kopiert werden.

Genau darin liegt jedoch auch die Schwierigkeit – klassische Netzwerke können nicht für die Übertragung verwendet werden. Vielmehr muss Quanteninformation mittels Teilchen übertragen werden – und dafür braucht es spezielle Schnittstellen. An diesen forscht Layon, der für seine Forschungen 2015 mit dem österreichischen START-Preis ausgezeichnet wurde.

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Licht für Übertragung umgewandelt

Lanyons Team nutzte ein in einer Ionenfalle gefangenes Kalziumatom als Ausgangspunkt für das Experiment. Mit Laserstrahlen schreiben die Forscher einen Quantenzustand in das Ion ein und regen es gleichzeitig zur Aussendung eines Photons an, in dessen Polarisation Quanteninformation gespeichert ist. Die Quantenzustände des Atoms und des Lichtteilchens werden dabei verschränkt.

Die Herausforderung besteht nun darin, das Photon durch Glasfaserkabel zu übertragen. „Denn das vom Kalziumion emittierte Photon besitzt eine Wellenlänge von 854 Nanometern und wird vom Glasfaserkabel sehr rasch absorbiert“, erklärt Ben Lanyon. Sein Team schickt deshalb das Lichtteilchen zunächst durch einen nichtlinearen Kristall, der mit einem starken Laser angestrahlt wird.

Dabei wird die Wellenlänge des Photons auf den optimalen Wert für lange Strecken umgewandelt: die aktuelle Standardwellenlänge des Telekommunikationsnetzes von 1550 Nanometern. So schicken die Innsbrucker Forscher das Photon durch eine 50 Kilometer lange Glasfaserleitung. Messungen zeigen, dass Atom und Lichtteilchen auch nach der Wellenlängenänderung und der langen Reise noch verschränkt sind.

Auch längere Distanzen scheinen möglich

Die Methode des Innsbrucker Teams kann auch dazu genützt werden, Ionen über eine noch längere Distanz zu verschränken also 100 und mehr Kilometer. Zwei Knoten senden ein verschränktes Photon über eine Distanz von 50 Kilometern zu einer Zwischenstation, wo die Lichtteilchen so vermessen werden, dass sie ihre Verschränkung mit den Ionen verlieren, wodurch diese wiederum miteinander verschränkt würden. Da nun ein 100 Kilometer langer Abstand zwischen den Schnittstellen möglich ist, wäre es vorstellbar in den kommenden Jahren das weltweit erste Intercity-Licht-Materie-Quantennetzwerk zu bauen: Nur eine Handvoll Ionenfallensysteme würden benötigt, um beispielsweise ein Quanteninternet zwischen Innsbruck und Wien aufzubauen.

„Dafür muss noch immer einiges an Grundlagenforschung erfolgen: einige Schlüsselelemente von Quantennetzwerken auf längere Distanz müssen erst im Labor demonstriert werden“, bremst Lanyon. Mit der nötigen Finanzierung und Infrastruktur sei es jedoch durchaus möglich, noch im nächsten Jahrzehnt Städte durch Quantennetzwerke zu verbinden. (mats)

Was sind Quanten

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