Hypnose als Therapieform: Heilung mit inneren Bildern
Klinische Hypnose hilft nicht nur dabei, sich das Rauchen abzugewöhnen oder abzunehmen. Sie wird auch in der Schmerztherapie und beim Zahnarzt eingesetzt.
Von Theresa Mair
Innsbruck –Das Wort „Hypnose“ erzeugt Bilder im Kopf, faszinierende, aber auch unheimliche. Von Handauflegen und Pendeln, Erleichterung bis zu Tränenausbrüchen, Kontrollverlust. Diese Bilder stimmen zum Teil, wenn es um Show-Hypnose geht. Auf der Bühne kann ein Trancezustand durchaus gefährlich werden. Sie sind aber falsch, wenn es um klinische Hypnose geht.
Das ist etwas ganz anderes, wie Doris Zollner und Massimo Ligazzolo, beide klinische Psychologen in Innsbruck, erklären. Im klinischen Umfeld eingesetzt, kann sie helfen, verborgene Kraftquellen, die in einem schlummern, zu entdecken und für die Heilung zu nutzen. Das klingt abstrakt, wird mit Zollners Erläuterung aber verständlich: „Es geht darum, das nicht-kognitive Wissen, das jeder hat, über innere Bilder abrufbar zu machen.
Dieses implizite Wissen wird im Gehirn vielfältig gespeichert, im sensorischen Gedächtnis, im Sprachgedächtnis, als transgenerationale Weitergabe von Wissen.“ Ein Beispiel: Ein Spinnenphobiker hat ein negatives inneres Bild von Spinnen. Schon allein die Vorstellung von einer Spinne lässt ihn körperlich erschaudern. Positive innere Bilder – z. B. davon, auf einer blühenden Wiese zu stehen, lösen wiederum positive körperliche Reaktionen und heilende neuronale Prozesse aus.
„Wenn man den Scheinwerfer nach außen abschaltet und den Aufmerksamkeitsfokus nach innen richtet, wird man unter Hypnose durchlässiger für Suggestionen, neue Erfahrungen, man kann Emotionen zulassen, aber auch physiologische Prozesse anregen“, sagt Ligazzolo. Das greift in Hirnprozesse und lässt sich Experten zufolge auch am Hormonspiegel im Blut messen: Positive innere Bilder und Erfahrungen fördern die Ausschüttung von Serotonin, Oxytocin und Dopamin. Gleichzeitig werden Stress und Cortisol-Ausschüttung gesenkt. „Stress ist nicht nur in Bezug auf Krankheit ungünstig, Stress unterbindet auch das Denken.“
Nicht für jeden sind diese inneren Kraftquellen leicht greifbar, nicht jeder wurde von klein auf gut damit ausgestattet. Zollner erklärt es mit dem Bild einer Wippe. Auf der einen Seite des Schaukelbretts werden die erfüllten psychischen Grundbedürfnisse abgelegt, die man in den ersten Lebensjahren sammelt, etwa jenes nach Bindung, Orientierung und Selbstwerterhöhung. Je besser diese Bedürfnisse bedient worden sind, desto leichter tut man sich mit den Herausforderungen des Lebens, die sich auf der anderen Seite der Wippe häufen. „Doch manche Menschen wachsen mit einer Schieflage auf“, so die Psychologin. Dann ist es schwerer, das Gleichgewicht herzustellen. Das hat z. B. Einfluss auf das Schmerzempfinden. Häufig werde die psychische Komponente, die bei chronischen, nicht tumor-bedingten Schmerzpatienten um die 70 Prozent ausmache, jedoch unterschätzt. „Die gleiche Wunde bedeutet nicht, dass die Schmerzen gleich sind. Emotionale – Stress und Angst – und kognitive Einflussfaktoren wirken auf das Schmerzempfinden“, sagt Ligazzolo. Da Stress und emotionale Belastungen im Gehirn ebenfalls die Areale aktivieren können, die für die Schmerzwahrnehmung zuständig sind, kommt es zu realen Schmerzen, auch wenn keine rein körperliche Ursache erkennbar ist.
Mit klinischer Hypnose und Techniken der Selbsthypnose könne man Linderung verschaffen, indem sie dabei helfen, „bei den schlecht bedienten Gundbedürfnissen aufzuholen“, so Zollner. Wirkungsnachweise für die Behandlungsmethode gebe es mittlerweile bei vielen Beschwerden, wie bei Ängsten, Zwängen, Migräne, chronischen Schmerzen, Schlafstörungen, Burn-out, Bettnässen, Suchterkrankungen, der Rehabilitation nach Schlaganfall, Übergewicht, Depression. Zahnärzte setzen klinische Hypnose genauso ein – es gibt ein Diplom der Zahnärztekammer – wie Anästhesisten. Sie ist eine Option in der Geburtshilfe und im Coaching von Sportlern, wo sie als mentales Training definiert wird.
Klinische Hypnose gehört in die Hände ausgebildeter klinischer Psychologen und Psychotherapeuten bzw. Ärzte. In Innsbruck wird z. B. die Ausbildung nach den Lehren des US-Psychiaters Milton Erickson angeboten. Zollner und Ligazzolo legen auch Wert darauf, dass Klienten verstehen, was in einer Trance passiert. Sie schulen sie in Methoden der Selbstberuhigung und der Selbstregulation, um Vertrauen in die Selbstwirksamkeit zu fassen. Denn in der klinischen Hypnose gibt man nie die Kontrolle auf.
Hypnotherapie
Für chronische Schmerzpatienten bieten Doris Zollner und Massimo Ligazzolo jeweils am Montagabend klinische Hypnose in Gruppen in zehn Einheiten à zwei Stunden mit Psychoedukation und angeleiteter Trance an. Kosten pro Einheit: 40 Euro. Ausgenommen sind Kopfschmerz- und Tumorpatienten. Im Vorfeld findet ein Erstgespräch statt.
Kontakt: Praxis Dr. Zollner, E-Mail: praxis@doriszollner.at oder Tel. 0650/44 339 45